Landeshauptstadt: Polit-Puppen am Cecilienhof
G-4-Minister-Treffen von Protesten begleitet: „Saubere Luft zum Atmen“
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Neuer Garten – „Wo wollen Sie hin?“ Diese Polizisten-Frage mussten Passanten auf den Wegen zum Schloss Cecilienhof im Neuen Garten gestern gewissenhaft beantworten. Das letzte Hohenzollernschloss ist bis zum Sonnabend Treffpunkt der Handelsminister der USA, der Europäischen Union (EU) sowie Brasiliens und Indiens. Bei diesem Treffen der so genannten G 4 der Welthandelsorganisation (WTO) geht es hauptsächlich um ein neues weltweites Agrarabkommen.
„Zu den Gegnern geht es da lang“, weist die blonde Polizistin, die nahe dem Schloss Cecilienhof Wache schiebt, in Richtung auf den Parkausgang. An der Großen Weinmeisterstraße hatten sich Kritiker des WTO-Treffens der G4 zu einer Protestaktion versammelt. Mit riesigen Puppen aus Holz, Stoff und Pappe warben sie für „Saubere Luft zum Atmen“ für die Erde und das Wasser und für „Feuer aus Sonnenenergie“ Ein Hai als Symbol der G 4 mit einem winzigen Fischchen für die armen Länder vor dem Maul komplettierte die von der Polizei beobachtete und gefilmte friedliche Show. Mit den Puppen wollen die Protestler ihre Solidarität mit den Kämpfen in Lateinamerika zum Ausdruck bringen und den Einfluss lateinamerikanischer Straßenumzüge auf ihre Aktionen betonen.
Im Gartenrestaurant „Zum Laubenpieper“ informierten zuvor die Akteure unter anderem von „Gerechtigkeit Jetzt!“, „Germanwatch“ und „Weltwirtschaft, Ökologie & Entwicklung“ (weed) über ihre Ziele. Allein „Gerechtigkeit Jetzt! – Die Welthandelskampagne“ ist nach eigenen Angaben Teil einer internationalen Bewegung für gerechten Handel, der 41 Organisationen angehören. „Wir haben einen Treffpunkt nahe dem Schloss Cecilienhof gesucht und daher diese Gartenrestaurant gewählt“ begründet weed-Projektreferent Peter Fuchs die Ortswahl für die Pressekonferenz.
Alexis Passadakis von „Gerechtigkeit Jetzt!“ sagt: „Die informelle Verhandlungsstruktur der WTO ist undemokratisch, ihr Freihandelskurs unsozial“. Das exklusive Treffen in Potsdam würde unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden und lege die Regeln der Reichen für die Weltwirtschaft fest. Die Verschärfung des Kampfes um die Absatzmärkte und günstige Produktionsstandorte bedeuteten „ein Desaster für die jetzt schon gebeutelten armen Bevölkerungsgruppen in Süd und Nord“. Passadakis betätigte sich als Moderator des Protestes vor dem Eingang zum Neuen Garten und erklärte den wenigen Passanten und Polizisten die Puppenparade, die mit der Verfolgung und dem Sturz der Hai-Attrappe mit der Aufschrift WTO unter dem Gejohle der Anwesenden endete. Passadakis’ Organisation hatte achtzig solcher Großpuppen für das G-8-Treffen in Heiligendamm hergestellt.
Die Kritiker der Konferenz im Cecilienhof erwarten von dem neuen Agrarabkommen nichts Gutes. Es geht um die Abschaffung von Subventionen für Exporte und die Liberalisierung, das heißt die Öffnung der Märkte für subventionierte Produkte. „Die EU und die USA streben in Potsdam einen Deal zugunsten ihrer Industrie-, Dienstleistungs- und Agrarkonzerne an“, meint Peter Fuchs. Der EU und den USA sollen weltweit noch mehr Märkte geöffnet werden. Und in Brasilien und Indien werde Handelspolitik immer stärker von weltmarktorientierten Konzernen geprägt. Hingegen müssten die Kleinbauern vor billiger Weltmarktkonkurrenz geschützt werden. Bei der beabsichtigten „Handelsliberalisierung“ könnten Kleinbauern in den Industrie- und Entwicklungsländern nicht mithalten. „Hoffentlich fahren die G-4-Unterhändler ergebnislos nach Hause“, sagt Fuchs.
Günter Schenke
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