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Heute wäre Peter Weiss 90 Jahre alt geworden: Ein wissenschaftliches Symposium
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„Gehen sie auf die Straße! Demonstrieren sie!“ ruft Peter Weiss bei einer Podiumsdiskussion ins Publikum. Unmittelbar anschließend fordert er, Stücke zu inszenieren. Das Theater hätte eine Politisierung nötig. Das war Ende der 60er Jahre, der Dramatiker Peter Weiss, der auch Maler, Filmemacher und Erzähler war, hatte mit seinem Stück „Viet Nam Diskurs“ gerade selbst Tagespolitik auf die Bühne gebracht. In diesen Tagen war das Werk von Peter Weiss wieder Thema in Potsdam: Heute wäre der gebürtigen Babelsberger 90 Jahre alt geworden, eine Reihe von Veranstaltungen in der Buchhandlung Wist, dem Filmmuseum und der Stadt- und Landesbibliothek erinnerten an ihn (siehe auch Seite 26).
Das Symposium in der Stadt- und Landesbibliothek ging den Grundzügen der Arbeit von Weiss nach. Dem grundsätzlichen Konflikt zwischen politischem Handeln und theoretischem Reflektieren, zwischen Kämpfer und Intellektuellem versuchte sich Weiss zu stellen, unter anderem in dem er sich der Konfrontation mit den Opfern des Krieges in Vietnam aussetzte. Die Erfahrung von Sprachlosigkeit in der persönlichen Begegnung, brachte den Autor dazu, in seinen Stücken den Opfern und Zeugen der Geschichte eine Stimme zu geben, statt über sie zu urteilen.
Der Symposiumsveranstalter Hans- Christian Stillmark, vom Institut für Künste und Medien, hatte zuvor die Präsenz von Körper und Schmerz in den Frühwerken analysiert und das Verschwinden textueller Bilder des Körpers im Spätwerk. Gewalt und Qualen bildeten die zentralen Themen in den frühen Gemälden, die der Autor wenige Jahre vor den ersten Prosatexten schuf. Der Medienwissenschaftler Dieter Mersch erinnerte an die Shoa als Ursache für die grundsätzliche Sprachzerstörung, der sich Weiss im schwedischen Exil ausgesetzt sah. Mit der Sprache als etwas „Unmöglichem“ habe er gegen die Sprachlosigkeit angeschrieben.
Auch der Macht der Malerei vertraute Weiss selbst dann noch, als er sich nicht mehr als Maler begriff, wie Jochen Vogt anhand von Gemäldebeschreibungen in der „Ästhetik des Widerstandes“ aufzeigte. Helmut Peitsch vom mit veranstaltenden Institut für Germanistik der Uni Potsdam, machte auf die versteckten Bildhinweise am Ende des Romans aufmerksam, wo die Hinrichtungen von Widerstandskämpfern geschildert werden. Üblicherweise wurden die letzten Briefe dieser Toten in der Nachkriegszeit mit deren Fotos publiziert. Im Roman sind diese Fotos durch die Bilder ersetzt, die sich den Zeugen der Hinrichtungen einprägen. Der Aufseher, so heißt es, wird nie mehr durch die Langhansstraße gehen können, ohne an den langen Hans Coppi denken müssen, dem er kurz vor dem Erhängen noch ins Gesicht sah.
Spaziergänger durch die Rudolf-Breitscheid-Straße in Babelsberg können an der Hausnummer 232 eine Plakette entdecken, die an Peter Weiss erinnert. Zu wenig Ehre für einen so wichtigen Autor des 20. Jahrhunderts, befand Oberbürgermeister Jann Jakobs zur Eröffnung des Symposiums. Angemessener wäre es, eine Straße nach ihm zu benennen. Er wolle sich persönlich dafür einsetzen, dass die Stadt diese Ehrung noch vor dem 100. Geburtstag des „unzugehörigen“ Sohnes vornimmt. Lene Zade
Lene Zade
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