Von Jan Brunzlow: Politik-Schach im Wahlkampf
Wahl-Talk von PNN und Potsdam TV: Freude über jeden Millionär und die Rückkehr der geteilten Stadt
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Showdown im Wahlkampf: Linke-Chef Hans-Jürgen Scharfenberg attackiert das Publikum, Jann Jakobs fordert die Moderatoren des Talks zum härteren Durchgreifen auf und Finanzminister Rainer Speer stichelt von den Gästeplätzen aus. Der Wahl-Talk von PNN und Potsdam TV am Dienstagabend bot zwei Stunden lang politisches Schach. Dabei provozierte die SPD mit Bauern und Türmen aus dem Publikum, um ihren König in Position zu bringen und damit den König der Linken Zug um Zug in die Ecke zu drängen. Das Ergebnis der Vorwürfe, Spitzzüngigkeiten und Zwischenrufe: Hans-Jürgen Scharfenberg, Spitzenkandidat der Linken, schaltete auf stur und überließ seinem Herausforderer Jakobs (SPD) das Feld. Zumindest fast, denn ein bislang im Wahlkampf vernachlässigtes Thema brachte Jakobs doch in Bedrängnis: Die scheinbare Spaltung der Stadt in den reichen Norden und den armen Süden.
Der Klassenkampf der Linken, der bislang stellvertretend im Streit um Garagenstandorte und kostenloses Schulessen ausgetragen worden ist, wird seit Dienstag wieder beim Namen genannt. Als „normaler“ Kandidat hätte Jakobs, der mit der SPD die Linke herausfordert und stärkste Kraft werden will, sich diesem Thema offen stellen können. Als Oberbürgermeister für die ganze Stadt, der sein Mandat als Stadtverordneter nach der Wahl am 28. September nicht annehmen wird, hat er sich gegen ein Nord-Süd-Gefälle des Lebensniveaus verwehrt und die Einigkeit der Landeshauptstadt ausgerufen – anfangs zumindest. Im Laufe der Diskussion musste er eingestehen, die Landeshauptstadt habe in einigen Teilen eine unterschiedliche Entwicklung genommen. Er erklärt: „Wir werden nicht mit der Kommunalpolitik den sozialen Ausgleich erreichen können.“ Es sei „das Falscheste, die Unterschiede politisch zu instrumentalisieren“, so Jakobs, der seinen Widersacher immer mit „Herr Doktor Scharfenberg anspricht“ und ausschließlich ein „Herr Oberbürgermeister“ als Antwort bekommt.
Der Spiegel, dessen TV-Programm am Wochenende eine Reportage über geschlossene Wohnviertel in der Berliner Vorstadt und damit die Zerrissenheit der Stadt Potsdam ausstrahlte, hat das gesellschaftliche Thema zurück auf die Tagesordnung gerufen. Das Medium, gegen das Jakobs im Zuge der Battis-Denkmalaffäre eine Gegendarstellung erwirken wollte und das Jakobs Ansicht schließlich als Leserbrief abgedruckt hatte, verabreicht dem Kommunalwahlkampf neue Würze. Mit der Erkenntnis von Hans-Jürgen Scharfenberg, dass „ich mich über jeden Millionär freue, der nach Potsdam zieht“. Und mit seiner provokanten Äußerung: „Die Gegensätze sind in keiner anderen ostdeutschen Stadt so stark wie hier.“
Der zugespitzte Wahlkampf zwischen Scharfenberg von den Linken und den Herausforderern der SPD rund um Jakobs bestimmte den Takt der Veranstaltung, obwohl in der Runde auch die Spitzenkandidaten Ute Bankwitz (Bürgerbündnis), Michael Schröder (CDU), Peter Schüler (Bündnis 90/ Grüne) und Lutz Boede (Die Andere) neben den Moderatoren Michael Erbach, PNN-Chefredakteur, und Oliver Geldener, Chefredakteur Potsdam TV, saßen. Verkehrsprobleme, Gestaltung der Innenstadt und der Haushalt waren weitere Themen, die abgearbeitet wurden, ohne dass die gut einhundert Zuhörer im Restaurant Walhalla in der Dortustraße dabei offiziell zu Wort gekommen sind.
Dafür die Kandidaten, die teils markige Sprüche klopften. Wie Lutz Boede in Anspielung auf Potsdamer, die sich akribisch für die Wiedergewinnung der historischen Mitte aussprechen: „Diese Leute sind wie Alkoholiker. Wenn sie wieder ein bisschen Geld haben, bauen sie eine Brücke daraus.“ Oder wie Ute Bankwitz, die kurz und knapp resümierte: „Lebens- und liebenswert ist die Stadt, trotz der Politik und Verwaltung“.
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