zum Hauptinhalt

Landeshauptstadt: Politiker entlarvt: Zweimal die gleiche Rede

Erfahrungen beim 5. Treffen des Deutsch-Französisch-Polnischen Jugendparlaments in Versailles

Stand:

Ihnen waren Botschafter und hochrangige Politiker versprochen – sie trafen Praktikanten. Das sei das wirklich Enttäuschende am Deutsch-Französisch-Polnischen Jugendparlament gewesen, sagen die drei Helmholtz-Schüler. Manche Erwartungen wurden einfach nicht erfüllt.

Die drei waren Teil der deutschen Delegation in der vergangenen Woche in Versailles. „Weil wir alle Französisch- Leistungskurs haben“, erzählt die 17-jährige Marie-Luise Flohr. Und gute Französisch-Kenntnisse sollten eigentlich Teilnahmevoraussetzung sein. „Dann gab es aber doch Dolmetscher“, sagt Raik Klawitter. Das Übersetzen habe jeden Vortrag um das Dreifache verlängert. „Und die wenige freie Zeit entsprechend verkürzt“, ergänzt Vanessa Skoruppa. Überhaupt sei das mit den Reden so eine Sache gewesen. In dem Punkt hätten die Politiker – einige kamen dann doch zu dem von der Europäischen Union und dem Deutsch-Französischen Jugendwerk organisierten Treffen – nicht enttäuscht. Sie sprachen länger, als der Zeitrahmen vorgab. „Und entschwanden zu anderen wichtigen Terminen, bevor wir unsere Sachen vorstellen konnten“, erzählt die 18-jährige Vanessa. Am meisten entlarvt habe sich aber ein Vertreter des Conseil Régional Ile-de-France. Der traf an zwei aufeinander folgenden Tagen auf die 60-köpfige Gruppe von Jungparlamentariern und hielt zweimal die gleiche Rede. „Nicht nur thematisch“, schildert Raik. Vielmehr habe er die gleichen Beispiele genannt, an den selben Stellen Kunstpausen gemacht, so als sei es ihm gerade eingefallen, sagt Vanessa. „Das war echt grotesk.“ Offenbar habe er nicht gemerkt, dass er vor den selben Leuten steht.

Das sechstägige Programm des Drei-Länder-Treffens war voll gestopft mit Referaten, Runden und Rundgängen. Die Themen: Römische Verträge, europäische Agrarwirtschaft, Vernetzung der Regionen. „Dabei hätten wir gerne Zeit gehabt, die anderen kennen zu lernen“, sagt Vanessa. Gelegenheit dazu gab es nur an den drei Länderabenden, die die Jugendlichen selbst organisiert haben. „Der Polenabend war der tollste“, urteilt die Zwölftklässlerin spontan. Ihre beiden Mitschüler pflichten ihr bei. Die polnischen Schülerinnen und Schüler hatten sich einheitlich angezogen und einen Volkstanz vorgeführt. Am Ende hätten alle mitgemacht, erzählt Raik und wippt dabei mit den Füßen. „Wir Deutschen langweilten mit einem Powerpoint-Vortrag und verteilten Spreewaldgurken und Kirschlimonade“, sagt Marie-Luise und verzieht das Gesicht. Die Franzosen hätten verpasst sich vorzubereiten. Gemeinsam ging es an dem Abend ins Theater. Wieder wenig Gelegenheit, sein Französisch zu üben oder mit den anderen zu quatschen. Dabei wollte Vanessa mal mit polnischen Gleichaltrigen in Kontakt kommen. „Ich kenne keine, obwohl sie unsere Nachbarn sind.“ Die Polen seien bei der trilateralen Begegnung die Angenehmsten gewesen. Leise und zurückhaltend und nicht poltrig-laut wie die Deutschen und Franzosen. Nicola Klusemann

Nicola Klusemann

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })