Landeshauptstadt: Polizei unterbricht Gedenken an 1849 exekutierten Max Dortu
Verdacht auf nicht angemeldete Demo nicht bestätigt / Beamten-Aktion scharf kritisiert / Kapuste für Denkmal des Revolutionärs
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Innenstadt - Die Polizei unterbrach gestern eine Gedenkveranstaltung für den 1849 hingerichteten Revolutionär Max Dortu. Polizeihauptkommissar Reinhold Hüppkens begründete das Vorgehen mit dem Verdacht auf eine unangemeldete Demonstration. Zudem sei der Gehweg vor der Max-Dortu-Grundschule, an der eine Gedenktafel an den 1826 in Potsdam geborenen Radikaldemokraten erinnert, für Passanten verstellt worden. Etwa 20 Personen hatten sich vor der Dortu- Plakette eingefunden. Ein offizieller Vertreter der Stadt Potsdam war nicht anwesend.
Die mit zwei Dienstfahrzeugen erschienen vier Beamten notierten die Personalien unter anderem von Lutz Boede von der Fraktion Die Andere und von Wolfgang Rose vom Verein zur Förderung der antimilitaristischen Tradition in Potsdam. Boede gab an, Gedenkveranstaltungen müssten nicht angemeldet werden. Vor Jahren habe er auf Nachfrage zu einer CDU-Veranstaltung anlässlich des Tages des deutschen Widerstandes am 20. Juli auf dem Bornstedter Friedhof von der Polizei erfahren, dass Gedenkveranstaltungen nicht angemeldet werden müssten. Daher sei das Dortu-Gedenken in den vergangenen Jahren nicht angemeldet worden. Diese „grundrechtsfreundliche Auslegung“ müsse Boede zufolge für alle gelten.
Das Vorgehen der Polizei traf bei den Teilnehmern auf wenig Verständnis, „albern“ sei ihr Verhalten, so lauteten übereinstimmend die Kommentare. „Sie erweisen dem Ansehen der Polizei einen schlechten Dienst“, kritisierte Falk Richter, Geschäftsführer der Stadtfraktion Die Andere, die Polizisten. Jürgen Stelter, der Potsdamer Kreisvorsitzende der Bündnisgrünen, nannte „das massive Auftreten“ der Polizei „unverhältnismäßig“. Er habe nicht erkennen können, dass Passanten behindert worden sind.
Bevor die Polizei abfuhr, informierte sie auf Nachfrage, dass „keine Ordnungswidrigkeit vorliegt“. Doch das sei im Vorfeld nicht erkennbar gewesen, deshalb sei „der Einsatz zu rechtfertigen“, so Polizeihauptkommissar Hüppkens. Sie hätten nach Beginn der Veranstaltung einen Anruf erhalten. Die Gedenkenden wunderten sich einhellig, dass die Polizei schon zwei Minuten später vor Ort war.
Polizeisprecherin Angelika Christen sagte gestern auf PNN-Nachfrage, eine politische Einordnung habe nicht stattgefunden: „Das steht uns nicht zu“. Vielmehr sei das Agieren der Beamten ordnungsrechtlich begründet. Es habe den „Anschein einer Versammlung“ gegeben, worauf „Prüfhandlungen“ eingesetzt hätten. Diese ergaben, dass „keine Ordnungswidrigkeiten und keine Strafhandlungen“ vorliegen. Die aufgenommenen Personalien sind wieder gelöscht worden, so Christen. Der Kreisvorsitzende der Linkspartei.PDS, Pete Heuer, kritisierte den „Besuch“ der Polizisten „aufs schärfste“, die Ehrung sei dadurch „kriminalisiert“ worden. Offenbar passe Dortu „nicht ins Preußenbild, das von den Regierenden in Potsdam gern gezeichnet“ würde.
In seiner kurzen Ansprache würdigte Wolfgang Rose den 23-jährig am 31. Juli 1849 an einer Friedhofsmauer in Wiehre bei Freiburg im Breisgau von preußischem Militär exekutierten Max Dortu als einen, der kein Untertan sein wollte. Dortu habe „für eine Gesellschaft der Gleichen und Freien gekämpft und gewusst, dass dazu die revolutionäre Tat notwendig ist“. Der Sohn einer wohlhabenden Potsdamer Familie hatte unter anderem Eisenbahngleise zerstört, um zu verhindern, dass das preußische Militär Truppen zur Niederwerfung der revolutionären Bewegung 1848 in Berlin herbeitransportiert. Dortu war später Kämpfer für Badische Revolution, während der die Forderung nach einer demokratischen Republik am konsequentesten vertreten wurde. Schnell war er zum Major und Bataillonschef der badischen Volkswehr aufgestiegen und kämpfte gegen die, wie er schrieb, „andrängenden Preußenhorden“, die der „Kartäschenprinzen“ kommandierte, Wilhelm Friedrich Ludwig von Preußen, später Kaiser Wilhelm I.
Seine standrechtliche Erschießung begründete das Militär mit seiner Desertion aus der preußischen Armee. In Freiburg erfährt Max Dortu als Vorkämpfer für die Demokratie im Gegensatz zur Haltung der Potsdamer Rathausführung stets auch offizielle Ehrungen der Stadt.
Der Vorsitzende des Kulturausschusses, Eberhard Kapuste (CDU), weilte gestern kurz vor der Gedenktafel. Er habe sich mit Dortu beschäftigt und informierte, der Name müsse eigentlich „Dortü“ ausgesprochen werden, denn die Eltern seien eingewanderte Hugenotten. Kapuste nannte Max Dortu eine „interessante Persönlichkeit“. Theodor Fontane habe ihn in seiner Biografie erwähnt, „denn beide haben zusammen Wachdienst geschoben als junge Kerle in Berlin“. Dortus Hinrichtung bezeichnet Kapuste als „furchtbar“. Was ihn persönlich ärgert, sei das Verhalten der Stadt Potsdam, die im 19. Jahrhundert die Versuche der verwitweten Mutter Dortus „torpedierten“, in Gedenken an ihren Sohn eine Sozialstiftung einzurichten, die „Max Dortu Stiftung für arme Potsdamer Handwerksburschen und -gesellen“. Die Ablehnung erfolgte „vielleicht auf höhere Weisung“, vermutet Kapuste. Zum Verhalten der Polizei sagte er, auch er habe selbst einmal Probleme bekommen, weil er eine Gedenkveranstaltung anlässlich des 20. Juli an der Nike-Stele nah an der Glienicker Brücke nicht angemeldet hatte. „Dabei hat die Polizei gar nichts zu genehmigen“, so Kapuste. Der Ordnung halber müsse so eine Veranstaltung nur angesagt werden. Kapuste erklärte, er unterstütze ein Denkmal für Max Dortu in Potsdam. Mit dem jungen Revolutionär habe er „weit weniger Probleme“ als mit Lenin.
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