
© Andreas Klaer
Von Erhart Hohenstein: Posttor im Schmiedefeuer
Bis zur Schlössernacht soll das Überbleibsel der Weltausstellung 1893 restauriert sein
Stand:
Von zehn Tonnen Stahl umgeben sind in der Metallwerkstatt von Sanssouci Meister Martin Richert, Schmied Marco Grosser und Lehrling Marcel Zander. Hunderte Teile des kaiserlichen Posttors haben sie zu entrosten, zu reparieren, einige auch nachzuschmieden. Die Zeit drängt, denn zur Schlössernacht im August soll das 7,50 m hohe Tor wieder am Parkeingang Geschwister-Scholl-Straße gegenüber der einstigen kaiserlichen Post eingehängt werden. Das ist die Stiftung Schlösser und Gärten ihren Besuchern schuldig, denn die Arbeitsgemeinschaft (ARGE) Schlössernacht hat für die Restaurierung 185 000 Euro aus den Eintrittsgeldern des sommerlichen Kulturfestes zur Verfügung gestellt.
Eine Menge Arbeit macht das neobarocke Tor auch deshalb, weil es im wilhelminischen Geschmack des ausgehenden 19. Jahrhunderts überreich mit Ornamenten, Ranken und Blüten geschmückt ist. Gerade holt Martin Richert ein rot glühendes Teil aus dem Schmiedefeuer, Azubi Marcel bringt es mit wohl gezielten Hammerschlägen in die richtige Form, die von einer Zeichnung an der Wand abzulesen ist. Nachgeschmiedet wird aber nur, wenn ein Parallelstück vorhanden ist. Ansonsten bleiben „Fehlstellen“ als Spuren der Geschichte. Dies trifft auch auf die Restaurierung erhaltener Originalteile zu. Manche zeigen sogar Durchschüsse von der sowjetischen Beschießung am Kriegsende 1945.
Ursprünglich war das spätere Posttor 1893 von der Kunstschmiede Gebrüder Armbrüster in Frankfurt (Main) als riesiges Dreiertor für den deutschen Pavillon auf der Weltausstellung in Chicago angefertigt worden. Nach Ende der Ausstellung fand sich dafür allerdings keine neue Verwendung. Schließlich sprang Kaiser Wilhelm II. ein und kaufte es an. Das Mitteltor ließ er 1896 am Sanssouci-Eingang Obelisk einbauen, die beiden Seitentore an den Enden der Lindenavenue. Im Süden endete dieser Weg gegenüber der Kaiserlichen Post. Das Postamt hatte der im Neuen Palais residierende Wilhelm II. errichten und mit damals modernster Technik ausstatten lassen. Als Gartendirektor Georg Potente in den 1920er Jahren den Lustgartenbereich am Obelisk auf das friderizianische Vorbild aus dem 18. Jahrhundert zurückzuführen begann, war ihm das pompöse Eingangstor ein Dorn im Auge. 1931 ließ er es abbauen und wieder das schlichte Eisengitter aus der Zeit Friedrichs des Großen einsetzen. Das Tor von der Weltausstellung wurde verschrottet.
Erscheint dieser Eingriff denkmalpflegerisch berechtigt, liegen die Dinge bei den Seitenportalen anders, da sie Bestandteil der in der wilhelminischen Ära angelegten Lindenavenue sind. Deshalb wird nun das in den 1980er und 1990er Jahren abgebaute Posttor als Zeugnis der Kaiserzeit restauriert, deren Spuren die Stiftung am Neuen Palais verstärkt sichtbar machen möchte. Dazu zählt, dass hier die von Hunderttausenden gesäumten Trauerzüge für die Witwe Kaiser Friedrichs III., Victoria (1901) und Kaiser Wilhelms II. erste Gemahlin, Auguste Victoria (1921) begannen, die im Mausoleum an der Friedenskirche bzw. im Antikentempel ihre letzte Ruhestätte gefunden haben.
Das auffällige Tor könnte für Touristen, die am allerdings noch zu sanierenden Bürgerbahnhof Park Sanssouci (Wildpark) aussteigen, zu ihrem Haupteingang nach Sanssouci werden. Auch eine stärkere Einbeziehung der Lindenavenue in die Schlössernacht erschiene dann möglich.
Wer sich einen Eindruck von der Wirkung des Portals verschaffen will, kann dies schon jetzt. Das zweite Seitentor der Weltausstellung 1893 befindet sich nämlich als „Lindstedter Tor“ nach wie vor am Nordende der auf die Maulbeerallee stoßenden Lindenavenue. Als Aus- bzw. Eingang dient es nicht mehr, sondern ist ständig verschlossen.
Erhart Hohenstein
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