Von Jan Brunzlow, Hannover: Potsdam auf der Cebit
Stadtverwaltung präsentiert neuen Personalausweis, Unternehmer hoffen auf neue Geschäftskontakte
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Es ist alles ein bisschen bescheidener geworden: Die Zeiten, in denen Headhunter durch die Gänge der weltgrößten Computermesse Cebit eilten und jeden Informatiker oder Programmierer abzuwerben versuchten, sind in der IT-Branche vorbei. Inzwischen müsse wieder ein gutes Produkt überzeugen, sagte Nikolaus Kühn. Er ist mit seinem Unternehmen „excentos“ einer von zehn Potsdamer Ausstellern auf der Cebit und erhofft sich vor allem Kundenpflege und neue Geschäftskontakte. Ein anderes Interesse hatte Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) bei seinem Besuch auf der Cebit gestern: Er hat sich die „Verwaltung 3.0“ angeschaut und einen neuen Personalausweis abgeholt – ausgestellt vom Potsdamer Bürgerservice auf der Cebit in Hannover.
Ein Straßenschild weist in Halle 9 den Weg. „Innovative Verwaltung“ heißt der Weg, oft ein Widerspruch in sich. Doch auf der Cebit wird gezeigt, was alles möglich ist. Sei es die Behördenhotline 115, elektronische Aktenverarbeitung, spezielle IT-Systeme für die Verwaltung oder das System Potsdamer Bürgerservice selbst, bei dem es alles aus einer Hand gibt. Ab November auch die neuen Personalausweise. Schon jetzt wird im Rahmen eines Pilotprojektes in Potsdam am neuen Personaldokument geübt, damit ab November alles reibungslos verläuft. „Es werden Anwenderfreundlichkeit und Verfahrensweisen getestet“, sagt Kristina Trilk. Die Leiterin des Bürgerservice Potsdam ist jeden Tag auf der Cebit und zeigt den Besuchern die praktische Umsetzung des neuen Ausweises.
Dem Flyer der Landeshauptstadt Potsdam gilt auf der Cebit nur wenig Interesse. Die meisten Besucher wollen sich von Nicole Spahn fotografieren lassen und die Fingerabdrücke abgeben. Ganz freiwillig. Spahn ist stellvertretende Leiterin des Bürgerservice Potsdam, wer einen der neuen Musterausweise von der Bundesdruckerei einen Stand weiter haben will, muss sich von ihr scannen lassen. Besucher wie Felix Nithammer aus Bergisch-Gladbach geben ihre privaten Daten für den Praxistest ohne zu zögern her und erhalten anschließend einen Muster-Ausweis, gültig bis 31. Oktober. Die Diskussion um die Chipkarten mit allen Daten ist geführt worden. Da das Dokument für alle ein Muss ist, hat sich der Gesetzgeber auf verschiedene Möglichkeiten verständigt. Einzig die Kerndaten des Passes in Kreditkartenformat wie Name, Adresse, Geburtsdatum und digitales Bild sind Pflicht für alle. Der Rest freiwillig. Dass der Ausweis teurer wird als bisher, davon ist auszugehen. Und er wird mehr Bearbeitungszeit in Anspruch nehmen, sagte Kristina Trilk, denn Ausweis ist nicht gleich Ausweis.
30 Mitarbeiterinnen arbeiten derzeit im Bürgerservice der Landeshauptstadt, 48 Stunden hat er in der Woche geöffnet. Vor einigen Jahren war das System „All-in- one“ noch schwer vorstellbar, so wie heute der Behördenruf 115. Keine Brandenburger Kommune ist an dem seit einem Jahr laufenden Pilotprojekt beteiligt, dabei ist in Potsdam angefragt worden. Interesse hatte vor drei Jahren nicht bestanden. Inzwischen sind die Kontakte geknüpft, an der Umsetzung wird gearbeitet. Künftig könnten alle Verwaltungsanfragen über eine Hotline im Rathaus eingehen. Jakobs hält das für sinnvoll, effizienteres Arbeiten in den Fachverwaltung hält er dadurch für möglich. Im Rathaus Potsdam könnte das Verwaltungs-Call-Center zehn Mitarbeiter haben, die die Anrufe annehmen und teilweise gleich selbst weiterhelfen. In Wuppertal – eine 115-Pilotkommune – seien 80 Prozent der Anrufe sofort erledigt worden und in einer Zeit von weniger als zwei Minuten, heißt es seitens der Mitarbeiter des zuständigen Ministeriums. Früher sei die Klärungsrate geringer gewesen und die Zeit am Telefon habe bei sechs Minuten gelegen.
Die Bundesministerien haben groß aufgefahren auf der Cebit, die Stände sehen futuristisch aus. Anders die Präsentation der selbsternannten Zukunftsregion Berlin-Brandenburg, an dem sich die Landesverwaltung mit einigen Projekten präsentieren. Unter anderem mit dem „Maerker“, dem Portal der Bürger. Seit Januar können auch die Potsdamer sich im Internet direkt beschweren und auf Missstände hinweisen. Doch es lief schlecht an. Eine Mitarbeiterin arbeitet im Rathaus an der Beantwortung und Umsetzung der Bürgerwünsche, 93 Beschwerden gab es in den letzten sieben Wochen. Der Großteil zum Winterdienst. Inzwischen haben sich die Probleme witterungsbedingt von allein geklärt. Übrigens, nur zwei Messestände weiter präsentierte sich ein Unternehmen mit dem Slogan „Optimierung des Winterdienstes“
Die Messe ist kleiner als in den vergangenen Jahren, auch die Potsdamer Unternehmen sind nicht mehr so zahlreich vertreten wie einst. 18 waren es vor zwei Jahren, 14 letztes Jahr und zehn sind es 2010. Zum zehnten Mal sind Frauke Weichhardt und Christian Fillies mit ihrer Firma Semtation GmbH aus Potsdam-West bereits auf der Cebit. Direkt hinter SAP und Microsoft. Sie wollen jedes Jahr in die Halle der Giganten, denn Microsoft ist einer der engsten Partner. Sechs Mitarbeiter zählt der Softwarehersteller aus der Geschwister-Scholl-Straße, zu den Kunden gehören nach eigenen Angaben auch Vattenfall, ThyssenKrupp und KPMG Schweiz. Auf der Cebit gehe es vor allem um neue Geschäftskontakte, sagte Frauke Weichhardt.
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