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Landeshauptstadt: „Potsdam bekennt Farbe“ in neongelb und violett Rund 250 Landeshauptstädter waren am Wochenende in Halbe zum „Tag der Demokraten“

Potsdam/Halbe - Die Stimmung in den drei Bussen aus Potsdam ist gelöst und fröhlich. Es droht keine Gefahr von Auseinandersetzungen auf dem Vorplatz des Waldfriedhofs in Halbe.

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Potsdam/Halbe - Die Stimmung in den drei Bussen aus Potsdam ist gelöst und fröhlich. Es droht keine Gefahr von Auseinandersetzungen auf dem Vorplatz des Waldfriedhofs in Halbe. Die geschätzten 250 Landeshauptstädter, die sich am vergangenen Sonnabend in Bussen und Pkws zum „Tag der Demokraten“ in den kleinen Ort südöstlich von Berlin aufmachen, fahren mit der Gewissheit als Rückhalt, es geschafft zu haben. Halbe bleibt in diesem Jahr frei von Nazis.

Ist es da noch sinnvoll, in den 2500-Seelen-Ort zu fahren, wenn die Rechtsextremen nach Seelow ausgewichen sind? „Wir sind doch nicht beim Katz- und Maus-Spiel“, kontert Christian Kulze. Der Potsdamer empfindet die Vertreibung der Nazis aus Halbe als einen Erfolg. „Es geht ja nicht nur darum, die Nazis zu verjagen, sondern auch ein deutliches Zeichen für die Demokratie zu setzen.“ Er ist zum zweiten Mal dabei, schon im vergangenen Jahr hatte er sich zur Fahrt mit dem von der Stadt gecharterten Bus angemeldet. Damals waren es nur etwa 60 Mitstreiter, die von Potsdam nach Halbe fuhren. „Es ist eine kleine Tradition für mich, ich werde im nächsten Jahr sicherlich wieder mitfahren“, sagt Kulze.

Eine Tradition, die immer mehr Potsdamer anspricht. Am vergangenen Wochenende sind es im Vergleich zu 2005 dreimal so viele, die den Shuttle der Stadt nutzen, unter den 180 Busfahrern sind auch Sozialbeigeordnete Elona Müller und Jugendamtsleiter Norbert Schweers. Andere wie PDS-Stadtfraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg oder sein SPD-Kollege Mike Schubert kommen in Fahrgemeinschaften in den kleinen Ort mit dem riesigen Waldfriedhof. 22 500 Tote liegen hier begraben, ein Großteil unbekannte Opfer, aus den verschiedensten Ländern, die übergroße Mehrheit jung bis blutjung. Ein Potsdamer Pärchen geht leise diskutierend über die Hauptwege, beachtet höchstens einmal niedergelegte Blumen, Grabkerzen oder ein Fähnchen. Elona Müller geht langsam, mit gesenktem Kopf, über das Gräberfeld, allein. Jeder verarbeitet die Eindrücke anders, die die steinernen Grabplatten im grünen Waldboden hinterlassen.

Einigkeit findet sich indes bei allen, wenn es darum geht, Präsenz zu zeigen - selbst wenn keine Nazis in Halbe versuchen, am Volkstrauertag ihr zynisches Heldengedenken abzuhalten. „Halbe ist kein Ort der Märtyrer“, sagt Mike Schubert. Für Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) beweise der „nazifreie Ort“, dass ein gemeinsames Ziehen an einem Strang zum gewünschten Ziel führe: „Veranstaltungen in den vergangenen Jahren und die Gesetzesnovelle des Landes haben die Rechten vertrieben“, lobt Jakobs. Für Potsdams PDS-Chef Scharfenberg ist es „selbstverständlich sinnvoll, ständig wirksame Proteste gegen Nazis zu organisieren.“ Die besten Beweise seien Halbe und Potsdam. „Wir haben ihnen in beiden Orten die Räume verwehrt, mit starkem und stabilem Zivilengagement.“ Dass dabei hin und wieder auch ziviler Ungehorsam genutzt werden müsse, sei nicht so problematisch, „wenn es die Ausnahme bleibt“.

8000 Menschen durchwandern Halbe, es ist ein wenig wie bei einem Straßenfest. Musik schallt durch die Straßen, mal sind es singende Ukrainer, dann der Liedermacher Heinz Rudolf Kunze. Es wird gelacht, geplaudert, ein Erfolg gefeiert. Sicherlich nur ein Etappensieg auf dem „langen Weg, den Nationalsozialismus zu bekämpfen“, erklärt Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck.

Den leuchtenden Schal mit dem Logo „Potsdam bekennt Farbe“ trägt der Babelsberger Platzeck an diesem Tag nicht. Dafür blitzen die neongelben, violetten und roten Tücher an den übrigen hunderten Landeshauptstädtern auf. Potsdam hat wieder einmal Farbe bekannt.

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