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Um 1200 war Potsdam ein Dorf, um 3500 vor Christus jedoch bedeutend, sagt der Archäologe Jonas Beran.

© A. Klaer

Von Guido Berg: Potsdam, eine Steinzeit-Festung?

Jungsteinzeitliche Wehranlage und womöglich Grundriss einer Kapelle auf dem Alten Markt gefunden

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Innenstadt - Jonas Beran hält nur wenige Puzzle-Teile in der Hand. Vor dem inneren Auge des Archäologen fügen sie sich dennoch zu einem Bild zusammen. Einem sehr großen Bild. Der Bodenkundler grub am Alten Markt, an der Holzmarktstraße, am Stadtkanal, an der Heiliggeistkirche. Was er und seine Kollegen zu Tage brachten, waren Spuren jungsteinzeitlicher Grabenbefestigungen – gefunden an all diesen, Hunderte Meter voneinander entfernten Orten. Was, wenn diese Funde zu ein und derselben Struktur gehören? „Die Sache wurde immer rätselhafter“, erklärte Beran am Dienstagabend dem Publikum der Vortragsreihe „Potsdamer Mitte im Dialog“.

Beran wagt zunächst nur eine These. Aber wenn sie stimmt, haben die Archäologen Zeugnisse einer großen befestigten Anlage aus der Mitte des vierten Jahrtausends vor Christus entdeckt. Die Datierung erfolgte anhand gefundener Keramikstücke. Die Anlage bestand aus Holz-Erde-Mauern plus Gräben. Ähnliche Bauwerke sind Beran zufolge bereits im Rheinland gefunden worden und als „Festungen der Steinzeit“ bezeichnet worden. Der Grabungsleiter ist sich nicht sicher, wozu die 200 bis 400 Meter großen Mauern gedient haben könnten. Vielleicht waren sie Viehkrale, Einfriedungen für Tierherden? Oder waren es doch Wehrmauern? Immerhin sind viele ähnlichen Objekte in Deutschland an Kulturgrenzen gefunden worden, etwa an der Besiedlungsgrenze der Trichterbecher-Kultur, was für den Wehrcharakter der Anlage spricht.

Ist das Bild, das sich der promovierte Archäologe Beran anhand seiner Funde macht, kein Trugschluss, „dann ist Potsdam in der jungen Steinzeit ein sehr bedeutender Ort gewesen“. Steinzeitliche Befunde seien im Land Brandenburg ohnehin nicht typisch. Insofern ist der Fund der jungsteinzeitlichen Festung „die größte Überraschung“ der Grabungsaktivitäten in der Potsdamer Mitte gewesen, erklärte der Archäologe.

Bedeutsam war Potsdam auch rund 4500 Jahre später, zurzeit der Burg „Poztumi“, die im Jahr 993 erstmals erwähnt wurde. Ihre Reste haben Beran und Co. auf dem Alten Markt nicht gefunden. Sie wird nun unweit der Burgstraße vermutet. Allerdings stand am Anfang des Alten Marktes dennoch eine Turmburg: Noch kurz vor der ehemaligen Kreuzung fanden die Archäologen die Grundrisse eines rechteckigen Wassergrabensystems, das einen hölzernen Turm umgab, der auf Eichenpfählen stand. Er entstand um 1320 am Ende der askanischen Herrschaft, so Beran.

Ebenfalls gegen Ende der Grabungen fand Berans Team die Grundmauern eines „eigenartigen Achteckenbaus“. Beran: „Wir wissen nicht, was es einmal war. Wir vermuten, eine Kapelle.“

In der für die Dialogreihe typischen anschließenden Diskussion zeigte sich der Unmut vieler Bürger über die Zerstörung der Bodenzeugnisse am Alten Markt. Ein Bürger sprach von „Raubgrabungen“. Wie Beran bestätigte, sind auf dem Stadtschlossgrundstück auf 12 000 Quadratmetern alle archäologischen Gegebenheiten „vernichtet“ worden. Dazu Stadtarchäologin Gundula Christl: „Man wird zu Kompromissen gezwungen.“ Grund dafür ist eine geplante Tiefgarage unter dem neuen Landtag. Christl: „Weil die Landtagsabgeordneten nicht zu ihrem Arbeitsplatz laufen, sondern darunter parken wollen.“

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