Landeshauptstadt: Potsdam in 3D: Jakobs stoppt das Späh-Auto
Kennzeichen und Gesichter sollten nicht verpixelt werden – massive Datenschutzbedenken
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Es klang eigentlich nach einer guten Möglichkeit, Zeit und Geld zu sparen: Ein Auto mit auf dem Dach installierter Kamera sollte dreidimensionale Bilder von Potsdam machen, um den Zustand der Straßen zu erfassen. Innerhalb von zwei Wochen sollte so der Instandsetzungsbedarf im gesamten Stadtgebiet erfasst werden, ganz ohne aufwendige Begehungen durch Verwaltungsmitarbeiter. Doch die Stadt hatte sich dabei nicht um den Datenschutz gekümmert – oder dies zumindest nicht kommuniziert. Zumindest hieß es noch am Wochenende, weder Autokennzeichen noch Gesichter von Passanten sollten auf den Aufnahmen verpixelt und somit unkenntlich gemacht werden. Am gestrigen Montag sollte das Projekt eigentlich starten, doch Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) zog in letzter Sekunde die Reißleine: Der Wagen mit der Kamera startete am Morgen gar nicht erst.
Grund ist massive Kritik der Landesdatenschutzbeauftragten Dagmar Hartge. Auch wenn die Daten nur – wie von der Stadt beteuert – verwaltungsintern genutzt werden sollen, sei eine Anonymisierung notwendig, sagte sie am Montag den PNN. Die Verwaltung dürfe Daten nur erfassen, wenn sie diese für ihre Aufgabenerfüllung brauche. Bilder von Menschen und Fahrzeugen seien für einen Überblick über den Straßenzustand aber nicht nötig. Die Stadt habe sie über das Vorhaben informiert, sagte Hartge. Im Mai habe sie dazu Stellung genommen und auf ihre Bedenken hingewiesen. Als daraufhin nichts mehr von der Stadt gekommen sei, habe sie angenommen, dass ihre Empfehlungen akzeptiert würden. Als sie nun hörte, dass dies nicht der Fall ist, sei sie „gelinde gesagt überrascht“ gewesen. „Umso mehr freue ich mich, dass der Oberbürgermeister nun entschieden hat, das Verfahren zu stoppen.“ Denn die Menschen hätten kaum eine Möglichkeit, den Kameras zu entkommen: „Das Auto fährt im fließenden Verkehr und ist so schnell da, dass man keine Chance mehr hat, sich diskret an die Seite zu stellen. Außerdem ist der Wagen so auffällig, dass man wahrscheinlich eher noch hinsieht und dann erst recht auf den Bildern zu erkennen ist.“ Die Aufnahmen seien allein schon deshalb datenschutzrechtlich bedenklich, weil Menschen in unangenehmen Situationen abgebildet werden könnten, etwa beim vermeintlich unbeobachteten Urinieren am Straßenrand. „Bei den Erfassungen von Google gab es immer wieder solche oder ähnliche Fälle“, erinnerte Hartge. Es reiche auch nicht, den Bürgern die Möglichkeit zu geben, sich im Nachhinein gegen die Verwendung ihrer Bilder bei der Stadt auszusprechen. „Die Verwaltung muss von sich aus das Gesetz einhalten“, sagte Hartge.
Oberbürgermeister Jakobs erkannte den Fehler, stoppte das Projekt und ließ am Montag mitteilen, dass „der Datenschutz in der Landeshauptstadt Potsdam groß geschrieben wird“. Bevor der Wagen starte, würden mit der Datenschutzbeauftragten alle Detailfragen besprochen und Einvernehmen hergestellt. Ein enstsprechender Termin werde vorbereitet, und die Stadt verwies auf andere Städte, in denen das Verfahren bereits erfolgreich durchgeführt wurde – etwa in der 70 000-Einwohner-Stadt Bocholt (Nordrhein-Westfalen).
Nun soll bei dem Projekt nichts mehr schiefgehen. Bevor es tatsächlich startet, soll ein Kalender veröffentlicht werden, in dem aufgeführt wird, wann das Kamera-Auto wo auftauchen wird. Außerdem soll jeder Mitarbeiter, der mit den Bildern zu tun haben wird, zuvor eine Datenschutzerklärung unterschreiben.
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