DER KARIKATURIST: „Potsdam ist ein Spagat zwischen Archiv und Friederisiko“
Beim Alten Fritz wird Jörg Hafemeister zum Wiederholungstäter. Zwangsläufig.
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Beim Alten Fritz wird Jörg Hafemeister zum Wiederholungstäter. Zwangsläufig. Denn der alte Monarch gehört nunmal zu Potsdam und wenn man wie Hafemeister in dieser Stadt lebt und immer wieder ein Portrait – oder ein Abendmahl – von ihr zeichnet, „hat man den Alten Fritz immer am Hacken“, sagt der Karikaturist.
Das erste Mal taucht der König bei Hafemeister auf einem Plakat 1986 auf: Da wirbt die Fritz-Karikatur recht brav für ein Jazzfest im Lindenpark. Dort malte Hafemeister Banner und Konzertplakate und zeichnete das mit der Gitarre rockende Strichmännchen, das bist heute Identifikationsfigur des Lindenparks ist.
In der Rückschau ist der Lindenpark eine Station einer Reise, die in Neustrelitz begann. Dort wurde Hafemeister 1961 geboren. Dass Zeichnen ein Stück Lebensinhalt werden sollte, spürte er schon als Kind. „Ich habe schon früh Comics gemalt“, sagt er. Das „Mosaik“, das DDR-Comic-Heft schlechthin, oder die Pionier-Zeitung „Frösi“ waren seine ersten Vorlagen. Ein Mickey-Mouse-Heft, erobert am Strand während eines Bulgarienurlaubes, erweiterte das Blickfeld. „Das Heft lieferte den Hauptinhalt meiner Ferien“, erinnert sich Hafemeister an den Sommer 1973. Und während in Zeichenzirkeln andere Schüler abstrakte Stillleben malten – „Töpfe und so“ –, entstanden auf seinen Blättern „immer nur Männecken“.
Die Geschichte seines ersten eigenen Comics spielt zwischen Himmel und Hölle. „Kleiner ging es als Thema nicht“, sagt Hafemeister und rechtfertigt mit einem verschmitzten Lachen die Dimensionen seines kindlichen Versuches, der nach einigen bemalten Seiten schnell sein Ende fand. Die Geschichte, wie ein Engel vom Himmel zum Teufel in die Hölle reist, blieb unvollendet.
Hafemeister wollte Kunst studieren. Doch es gab keinen Platz für seine Vorliebe. „Für Cartoons und Comics gab es keine Fachrichtung“, meint Hafemeister. Statt Diplom wurde es DEFA. 1980 kam Hafemeister nach Potsdam, „wo die Gegensätze noch immer aufeinanderprallen“, wie er sagt. Schon damals fand er die Stadt „einfach schön“ und zugleich deprimierend, weil so viel kaputtging. „Wenigstens die Postautos hätten doch gelb sein können. Aber sie waren grau und ich fragte mich, wohin so viel Farblosigkeit noch führen soll.“ Jahre später, im Sommer 1986, war er es selbst, der in die Tristesse einen bunten Kontrast setzte. Eine Straßenbahn, die für eine Dixiland-Tour zwischen verschiedenen Konzertstätten im Stadtgebiet hin- und herpendelte, malte er bunt an. In der Sammlung seiner Bilder findet sich ein Foto von den bunten Waggons – in schwarz-weiß und dennoch spürt man den farbigen Klecks vor einer trostlos grauen Hausfassade.
Bei der DEFA fing Hafemeister als Schriftenmaler an, er beschrieb Plakate und Transparente. „Ich war nicht sonderlich begabt“, erinnert er sich. Die Schriftzüge waren ihm zu akkurat, zu glatt, zu steif. Und auch in der Personalabteilung der DDR-Filmschmiede muss aufgefallen sein, dass Hafemeister nicht zur Schriftenmalerei taugte, „ich keine Koryphäe war“, urteilt er selbst. Mit der Gabe, die Dinge mit Witz zu betrachten, beschreibt er seine Karriere zum zeitweiligen DEFA-Heizungstechniker: „Weil die Heizung immer abgestellt war, musste ich runter, um sie wieder anzustellen“. Schließlich versuchte er sich als Tonassistent, was ihm zu
einem Moment verhalf, der ihn „sehr beeindruckt“ habe. Denn als er seine Prüfung absolviert hatte, „mit Drei“, fragte ihn sein Lehrer: „Warum willst du dir das antun? Das ist doch gar nicht dein Ding. Du malst doch viel lieber“.
Aber mitunter sind unliebsame Dinge Mittel zum Zweck. Das habe er schon in der Schule erkannt: „Mathe fand ich schwer. Es widerstrebte mir, Sachen zu machen, die ich nicht konnte.“ Es habe sich nicht richtig angefühlt, aber es sei nicht falsch gewesen, sie zu machen.
Wie für so viele wurde die Wende auch für Hafemeisters zu einem Befreiungsschlag. Er begann Karikaturen für Zeitungen und Zeitschriften zu zeichnen, machte Wahlplakate für die
Grünen, hinterließ in Potsdam seine Handschrift: Wieder mit dem Alten Fritz, diesmal sehr frech als kotzende Karikatur zur 1000-Jahrfeier der Stadt. Für das „Hafthorn“ entwarf er das Kneipenlogo und für den Lindenpark plakative Konzertankündigungen. Doch Berufsjugendlicher habe er nicht sein wollen, der Lindenpark vollzog einen Generationswechsel, Hafemeister packte Stifte und Farben zusammen und fand seine berufliche Erfüllung als Texter und Grafiker bei einer Werbeagentur. Heute zeichnet und textet er für Unternehmen, Zeitschriften, Zeitungen und Rundfunksender
Dass Potsdam nicht aufhört, ihn zu Karikaturen und Zeichnungen zu animieren und zu provozieren, liegt an den Gegensätzen der Stadt. Ein Blick aus seinem Küchenfenster genügt zur Illustration: Die Wintersonne zaubert einen goldenen Hauch auf die Dächer von Potsdam-West und unten staut sich der Verkehr in der Zeppelinstraße und zwingt die Abgasmessstation zur Hochbetriebsamkeit. „Potsdam ist ein Spagat zwischen Archiv und Friederisiko“, sagt Hafemeister. „Ein Tauziehen zwischen alternativer Subkultur und barockem Erbe. Und in diesem Spannungsfeld gibt es genügend Dinge, die mich freuen, ärgern und aufregen“, sagt der Künstler. Und dann greift er zum Stift, bringt Freude und Ärger, die Bilder und Ideen in seinem Kopf aufs Papier, manchmal schneller, manchmal langsamer. Erst sind es mit Bleistift gemalte Motive, die sich zu einem – überladenen – Spiegelbild verdichten. „Ich kann Dinge herstellen, über die andere Leute grinsen und gleichzeitig Verständnis für das entwickeln, was ich mitteilen will“, sagt Hafemeister. Mit einer Karikatur eine Haltung zu beziehen bedeute nicht zu polarisieren. Und schon gar nicht in Potsdam, denn die Stadt sei eine komplexe Angelegenheit mit verschiedenen Facetten und Positionen. Ähnlich wie der Alte Fritz. Dessen jüngste Karikatur mit Hafemeisters Handschrift zeigt den Monarchen in einem Kahn auf dem Wasser, umgeben von der Potsdamer Stadtkulisse. Bedächtig wirft er seine Angel aus. „Als hätte er seinen Frieden gefunden“, meint Hafemeister. Er jedenfalls habe seinen Frieden mit dem Alten Fritz gemacht. Peter Könnicke
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