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Links und rechts der Langen Brücke: Potsdam ist nicht Sebnitz

Guido Berg sieht keine Parallelen zwischen der rassistischen Gewalttat an Ermyas M. und dem Tod eines Jungen in einer sächsischen Kleinstadt

Stand:

Auch in der zurückliegenden Woche war die öffentliche Diskussion in Potsdam geprägt von der Gewalttat an Ermyas M. Die Meldungen und Berichte zum Tathergang überschlagen und widersprechen sich. Es gibt nur eine Wirklichkeit, aber mehrere Darstellungen derselben. Indiskretionen aus Strafverfolgungsbehörden heizen die Debatten an – und den Wettlauf der Journalisten nach exklusiven Neuigkeiten aus inoffiziellen Quellen. Die offiziellen schweigen und verweisen auf die laufenden Ermittlungen. Aufgrund der vor allem in CDU-Kreisen kultivierten Zweifel an einem rassistischen Hintergrund der Tat wird ein Vergleich herangezogen, der Journalisten schmerzt: Der Fall Sebnitz. Im November 2000 berichtete eine große Boulevardzeitung über den Tod eines kleinen Jungen in der sächsischen Kleinstadt Sebnitz. Das Kind soll in einem Freibad vor den Augen gleichgültiger Badegäste aus rassistischen Motiven ertränkt worden sein. Die Bundesrepublik war geschockt, es kam zu einer Welle von Mitleidsbekundungen. Später stellte sich heraus, dass der Tod des Jungen drei Jahre zurück lag und sich kein Fremdverschulden nachweisen ließ. Ist der Fall Sebnitz nun geeignet, um in Potsdam vor voreiligen Schlüssen zu warnen? Grundsätzlich ja. Voreilige Schlüsse sind nie gut und der Fall Sebnitz war ein journalistisches Desaster. Bei Lichte betrachtet gibt es Unterschiede. Dass Ermyas M. Opfer einer Gewalttat wurde, bezweifelt niemand. Für einen Unfall, wie er sich Fall Sebnitz letztlich herausstellte, gibt es auch zwei Wochen später keinen Hinweis. Ermyas M. ist schwerste Gewalt angetan worden. Dafür gibt es Verantwortliche, also Täter. Als sicher kann gelten, dass es diese Täter waren, die den Streit auf die Ebene fast tödlicher Konsequenz hebten und dramatisch eskalierten. Auf der Straße liegen blieb das Opfer, die Täter flohen. Täter, die gesehen wurden und die ihr rassistisches Motiv auf einer Handymailbox kundtaten. Warnen vor Sebnitz hat Berechtigung, ein Vergleich von Potsdam mit Sebnitz jedoch nicht.

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