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Landeshauptstadt: Potsdam ist noch keine Stadt der Wissenschaft

„Genickbruch“, 22.3.

Stand:

„Genickbruch“, 22.3.2007

Potsdam ist zu Recht nicht „Stadt der Wissenschaft“ geworden. Ich betätige mich hier seit drei Jahren kommunalpolitisch und empfinde das Klima als geistfeindlich. Diese Feindlichkeit wird zwar selten offen ausgesprochen, tritt aber beispielsweise in Bemerkungen zu Tage, wie: Ein Landtagsneubau außerhalb der Schlosskubatur wäre „akademische Geschmacksdiktatur“. Wer mal eine Veranstaltung für Bürger oder eine Sitzung des Stadtforums oder eines Parlamentsausschusses erlebte, der weiß, dass Nachdenken hier lediglich als Störung gilt. Die Schnapsidee eines „Denk-Hauses“ zeigt, dass es in Potsdam nur um leere Hüllen geht. Jedes Hochschulgebäude ist ein „Denk-Haus“. Die Stadt wollte die Uni nicht in ihrer Mitte, und nun drängt sie die Fachhochschule (FH) auf die „Grüne Wiese“. Verbleiben soll ein Showroom mit Ausstellungen. Denken kann in vielen Rahmen und Formen stattfinden, aber nicht da, wo Resultate platt serviert werden – statt gemeinsam erdacht. Ich würde mich freuen, in einem sanierten FH-Gebäude Kolloquia, Tagungen und Ausstellungen veranstalten zu können. Dazu brauche ich keine leere Hülle mit dem lächerlichen Namen „Denk-Haus“. Ich benötige nur einige gut ausgestattete, normale, funktionierende und offene Hochschulgebäude in der Innenstadt. Wissenschaft ist ein Geschäft, bei dem man Einsamkeit am Schreibtisch und im Labor ausbalancieren muss mit Kommunikation. Letzteres zerstört Potsdam gründlich, weil dazu ein wenig strukturierter öffentlicher Raum und eine lässige Normalität nötig sind. Beides erträgt der muffige Kleingeist des politischen Raumes dieser Stadt kaum. Diese Stadt ist noch keine Stadt der Wissenschaft.

Dr. Wolfram Meyerhöfer, Mathematikdidaktiker, Universität Potsdam

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