Potsdam: Potsdam, New York
Potsdams Namensvetter in den USA ist für roten Sandstein und einen Nobelpreisträger bekannt. Allerdings wurde die Stadt nicht von deutschen Aussiedlern gegründet.
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Potsdam (New York) - Mehr als 6000 Kilometer entfernt von Potsdam an der Havel liegt ein zweites Potsdam. Man findet es im Norden des Bundesstaates New York, nahe der Grenze zu Kanada. Dass Potsdam, New York, und das deutsche Potsdam den gleichen Namen tragen, ist kein Zufall. „Unsere Stadt ist benannt nach Eurer Stadt“, sagt Fred Rollins vom Stadtmuseum in Potsdam, New York.
Wohnen wie im deutschen Potsdam
Gegründet wurde das New Yorker Potsdam im Mai 1787 gemeinsam mit zehn Städten entlang des St. Lawrence-Flusses – aber nicht etwa von ausgewanderten Potsdamern. Es war die Regierung, die diese Orte nach Vorbildern in Europa benannte: Neben Potsdam zum Beispiel auch Stockholm, Madrid und Canton. Es war ein Marketing-Trick: Die Städte wurden so benannt, um Siedler zu locken, nach Norden zu ziehen und das Land zu entwickeln, erklärt Rollins: „Die Abgeordneten wollten, dass die Leute denken: ,Wow, ich kann in diesem Potsdam wie im deutschen Potsdam wohnen.’“
Das bestätigt Trent Trulock, der Leiter der St. Lawrence County Historical Society. „Obwohl die Städte die gleichen Namen haben, kamen die ersten Bewohner nicht aus Europa“, sagt der Regionalhistoriker. „Man nimmt an, dass die Verantwortlichen internationale Geschäftsbeziehungen hatten und deshalb Namen aus aller Welt nutzten.“ Mit einer internationalen Verbindung, so die Idee, ließe sich das Areal einfacher verkaufen.
New Yorker Potsdam ist nicht so groß wie das europäische Vorbild
Die Regierung hatte großes Interesse daran, das Land zu entwickeln: Als neue Sicherheitszone zwischen Kanada und den Vereinigten Staaten. Potsdam, New York, wurde nur wenige Jahre nach dem Ende des Unabhängigkeitskrieges gegründet, erklärt Trulock. New York hatte Angst vor einem Angriff der Briten aus Kanada. Die neuen Siedler im Grenzgebiet im Norden hätten im Ernstfall warnen können, falls die Briten angreifen. So kam es, dass mehr als 400 Jahre, nachdem das märkische Potsdam sein Stadtrecht bekam, die New Yorker Verwaltung den Namen nutzte, um Siedler zu locken und die Wildnis zu entwickeln.
So groß wie das Vorbild im fernen Europa ist Potsdam, New York, nicht geworden: Bei der letzten Volkszählung im Jahr 2010 gab es 9 428 Einwohner, mit den Umlandgemeinden 16 041. Und Potsdam, New York, ist auch nicht das einzige Potsdam in den USA: Es gibt zwei weitere, allerdings sehr kleine. Potsdam, Ohio, hat 288 Einwohner. Potsdam, North Dakota, gerade mal 38.
In den 1990er-Jahren bahnte sich eine Partnerschaft an
Dass es auch in Deutschland ein Potsdam gibt, wissen die meisten Einwohner von Potsdam, New York. Viel mehr meistens aber auch nicht, wie Trulock sagt. Einen Eindruck vom brandenburgischen Potsdam haben die US-Potsdamer nicht.
Aber das war nicht immer so. In den 1990er-Jahren bahnte sich sogar eine Partnerschaft zwischen beiden Städten an: So war 1994 eine Gruppe von 52 Potsdamern um den Verleger Hermann Ehrengard zu Besuch im New Yorker Potsdam, wie in der Studentenzeitung des SUNY Potsdam College nachzulesen ist. Sie kamen damals vor Ort in Gastfamilien unter. „Wir sind hocherfreut, dass die Freundschaft mit unserer Partnerstadt fortschreitet und freuen uns darauf, in diesem Sommer unsere deutschen Freunde kennenzulernen“, wurde Bürgermeister Garner vor dem Besuch zitiert.
Fehlendes Interesse
Und auch die Universität Potsdam knüpfte seinerzeit Kontakte: Laut der College-Zeitung waren die Literaturprofessorin Brigitte Krück und die Austauschstudentin Sylvia Hübner die ersten akademischen Gäste aus Potsdam in Potsdam. Auch die Eltern von Museums-Mitarbeiter Fred Rollins waren in Programmen wie diesem engagiert. Sie gehörten zu einer Gruppe von US-Potsdamern, die Potsdam anlässlich der 1000-Jahrfeier 1993 besuchten. Die Verbindungen seien aber irgendwann eingeschlafen – wegen fehlenden Interesses, wie Rollins vermutet.
Heute kommen etwa zehn deutsche Touristen pro Jahr ins Potsdam Museum, schätzt Rollins. „Vor ein paar Wochen waren Besucher aus dem deutschen Potsdam hier und freuten sich, dass ich Deutsch spreche“, erzählt er. Laut der örtlichen Handelskammer sind vor allem die beiden Universitäten ein Anziehungspunkt für Gäste: In der Kleinstadt gibt es die Clarkson University und die State University New York (SUNY) Potsdam. Zwischen 12 000 und 15 000 Gäste besuchen Potsdam jedes Jahr, heißt es.
Amerikanisches Potsdam ist für roten Sandstein bekannt
Touristen schätzen auch die waldige und hügelige Umgebung von Potsdam: Freiluftaktivitäten wie Camping, Wandern, Kanusport oder Angeln sind beliebt. Die meisten Gäste kommen von der Ostküste, aus den US-Bundesstaaten New York, Vermont, Massachusetts oder Connecticut, aber auch aus Kanada. Touristen aus Europa besuchen Potsdam meist als Stop auf einer großen USA-Reise, sagt Rollins. Von New York City ist es etwa eine Tagesreise.
In den USA ist Potsdam vor allem für seinen roten Sandstein bekannt: Aus „Potsdam Sandstone“, wie das Material, das entlang des Racquette-Flusses abgebaut wird, heißt, wurden im 19. Jahrhundert Kirchen, Schulen, Bahnhofsgebäude, Bürgersteige und Wohnhäuser gebaut – nicht nur in Potsdam. Auch das Parlamentsgebäude im kanadischen Ottawa besteht aus Potsdam Sandstone.
Außenminister Kellog in Potsdam geboren
Noch bekannter ist einer der Söhne der Kleinstadt: Der spätere US-Außenminister Frank Billings Kellogg wurde am 22. Dezember 1856 in Potsdam geboren. Für den gemeinsam mit seinem französischen Amtsollegen Aristide Briand ausgehandelten Briand-Kellogg-Pakt, mit dem die Unterzeichnerstaaten von Krieg als politischem Mittel Abstand nahmen, wurde er 1929 mit dem Friedensnobelpreis geehrt. Das Abkommen, dem 1929 64 Staaten beigetreten waren, gilt als frühes Vorbild der Vereinten Nationen.
Wenig friedlich geht es dagegen in den Filmen von Wes Craven zu: Der 1939 in Potsdam geborene Regisseur ist für Horrorstreifen wie „A Nightmare on Elmstreet“, „Hügel der blutigen Augen“ – und „Scream“ bekannt.
Fragen nach der Verbindung zwischen den beiden Potsdams bekommt Trulock von der Historiker-Vereinigung heute fast nie, wie er sagt. Obwohl die beiden Städte früher Verbindungen hatten, gebe es seiner Kenntnis nach mittlerweile keine mehr. Das deutsche Potsdam ist heute Partnerstadt von sieben Städten – darunter auch eine US-Stadt: Sioux Falls in North Dakota.
Nicole Spewak
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