
© Andreas Klaer
Von Peer Straube: Potsdam will Pflaster-Vorbild werden
Neue Strategie sieht Rückkehr zu historischen Standards vor / Streit in der Mangerstraße geht weiter
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In der seit Jahren geführten Debatte um Potsdams historische Pflasterstraßen überrascht die Stadtverwaltung mit großen Zielen. Mit einer völlig neuen Strategie will die Landeshauptstadt bei der Sanierung natursteingepflasterter Straßen und Gehwege nicht deren Qualität deutlich verbessern, sondern zugleich in diesem Bereich bundesweit Maßstäbe setzen. Das entsprechende Konzept stellte Norbert Praetzel, verantwortlich für die städtischen Verkehrsanlagen, am Dienstagabend im Bauausschuss vor.
Im Kern geht es darum, zu bewährten historischen Pflasterstandards und -techniken zurückzukehren, die eine lange Haltbarkeit garantieren. „Die Firmen können das gar nicht mehr, obwohl sie es behaupten“, sagte Praetzel. Das traditionelle Pflastererhandwerk will die Stadt daher schon im Bereich der Ausbildung stärken und selbst Flächen zur Verfügung stellen, an denen die Lehrlinge üben können. Wichtiges Kriterium sei auch die Kontrolle über das Material, so Praetzel. Die Stadt will die Steine künftig selbst beschaffen und den beauftragten Firmen zur Verfügung stellen. Damit soll verhindert werden, dass Steine unterschiedlicher Größe oder kleine Splitter verlegt werden – eine Folge des Preisdumpings in der Branche. Unter diesem Gesichtspunkt seien nahezu alle in der Vergangenheit erneuerten Pflasterungen unsachgemäß ausgeführt worden, so Praetzel. Einheitliche, neu definierte Standards sollen dies in Zukunft vermeiden helfen. Andernfalls werde die Stadt die Straßen oder Gehwege nicht mehr abnehmen. Dies werde mit Sicherheit zu „ätzenden Konflikten“ mit einzelnen Unternehmen führen, prophezeite Baudezernent Matthias Klipp (Bündnisgrüne).
300 000 Euro hat die Stadt in diesem Jahr für Pflasterarbeiten zur Verfügung, als Ziel hat man sich pro Jahr die Wiederherstellung von 2000 Quadratmetern Mosaik- und 1000 Quadratmetern Großsteinpflasterflächen gesteckt. Darüber hinaus will man 200 Tonnen Bernburger Pflaster als Ersatz beschaffen, wiederverwendbare Steine sollen fachgerecht sortiert werden. Praetzel will in seinem Bereich ein eigenes Pflaster-Team ins Leben rufen, das künftig die Einhaltung der Qualitätsstandards überwachen soll.
Im Ausschuss herrschte nach Praetzels Ausführungen eine ebenso seltene wie einhellige Verzückung. Als „geradezu revolutionär“ wertete Björn Teuteberg (FDP) das Verwaltungskonzept und orakelte, Potsdam werde damit „Vorbildcharakter“ bekommen. Selbst Saskia Hüneke, auf deren Initiative der Stadtverordnetenbeschluss zum Erhalt der Pflasterstraßen zurückging, sparte nicht mit Lob. 20 Jahre lang habe der „Wertbestand“ des Pflasters qualitativ nachgelassen. Nun werde „sinnvoll investiert“, weil die Haltbarkeit von hochwertigen Pflasterstraßen höher sei als der von asphaltierten. Selbst die Linke applaudierte.
Unterdessen geht der Pflasterstreit in der Mangerstraße weiter. Die Asphaltierung des Abschnitts zwischen Behlert- und Otto-Nagel-Straße steht nunmehr fest. Bei einer Befragung der Anlieger sprach sich zwar niemand dafür und zwei dagegen aus. Da sich fünf nicht äußerten, wird dies aber von der Verwaltung als Zustimmung gewertet. Im Abschnitt zwischen Otto-Nagel- bis Mühlenstraße allerdings sieht das Bild anders aus: 20 Anlieger dagegen, 18 dafür. Über diesen Fall müssen im Mai die Stadtverordneten entscheiden. Die Straße soll bekanntlich mit Mitteln aus dem Konjunkturpaket II erneuert und asphaltiert werden.
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