zum Hauptinhalt

Landeshauptstadt: Potsdam wurstelt ohne Haushalt

Stadtverordnetenversammlung: Oberbürgermeister Jann Jakobs gibt 48-Millionen-Euro-Defizit zu

Stand:

Stadtverordnetenversammlung: Oberbürgermeister Jann Jakobs gibt 48-Millionen-Euro-Defizit zu Von Günter Schenke Mit deprimierenden Tatsachen über die finanzielle Lage der Stadt leitete Oberbürgermeister Jann Jakobs gestern seinen Bericht vor der Stadtverordnetenversammlung ein. Es bestehe eine Diskrepanz zwischen Einnahmen und Ausgaben in Höhe von 48 Millionen Euro und er wisse nicht, wie unter diesen Bedingungen ein genehmigungsfähiger Haushalt aufgestellt werden könne, leistete Jakobs eine Art Offenbarungseid. Wie schon in den vergangenen Jahren liegt zum Januar nicht einmal der Entwurf eines Haushaltsplanes vor. Die Verwaltung werde versuchen, diesen im März vorzulegen. Erschwert werde die Planung unter anderem dadurch, weil das Land sich erst Ende Januar in der Lage sehe, die Eckdaten für die Finanzplanung bekannt zu geben. In früheren Jahren, so Jakobs, lagen diese Daten bereits sechs Monate früher vor. Als Ursachen für die finanzielle Schieflage der Kommune benannte der Oberbürgermeister die erheblichen Zuwächse der Ausgaben für die Sozialhilfe und dramatische Mindereinnahmen. Letztere liegen vor allem auf dem Sektor der Gewerbe- und Einkommenssteuer. Dazu komme die drastische Reduzierung der so genannten Schlüsselzuweisungen. Dabei handelt es sich um Geld vom Land, das den Kommunen entsprechend ihrer Einwohnerzahl zugeteilt wird. Unter dem Vorwand, Potsdam habe in den Vorjahren zu viel Geld erhalten, hatte das Land bereits im laufenden Haushaltsjahr 9,3 Millionen Euro gesperrt. Nächstes Jahr kommt eine weitere Reduktion um mehr als 13 Millionen Euro hinzu. Zusätzlich zu den bekannten Kürzungen bestehen zum Ende des Haushaltsjahres eine Reihe von Unwägbarkeiten für die Finanzen der Städte und Gemeinden. So ist völlig offen, ob die Gewerbesteuerreform, die gegenwärtig im Vermittlungsausschuss des Bundes schmort, in der vorgeschlagenen Form durchkommt. Ferner ist offen, ob es mit der Umsetzung des „Hartz-4-Paketes“, das die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe vorsieht, zu einer Be- oder Entlastung der Kommunen kommt. „Wie wir unter diesen Bedingungen 48 Millionen Euro einsparen können, ist völlig unklar“, klagt der Oberbürgermeister und fügt hinzu: „Selbst wenn wir alle freiwilligen Leistungen einstellen, bleibt noch eine Differenz in Höhe von 16 Millionen Euro.“ Auf die Frage von Gerhard Arndt (FDP), wie denn die Stadt unter diesen Umständen überhaupt wirtschaften könne, sagte Jakobs, dass zunächst auf Neuinvestitionen verzichtet werden müsse. Die freiwilligen Leistungen würden in „Zwölftelraten“ mit einem Abschlag von 13,4 Prozent ausgezahlt. „Es nutzt nichts, irgendeinen Haushalt zu beschließen, es muss einer sein, der auch genehmigungsfähig ist“, so der Oberbürgermeister. „Wir können den Haushalt in dieser Form nicht einfach hinnehmen“, bemerkt Hans-Jürgen Scharfenberg und kritisierte die Misswirtschaft der Landesregierung. Allein das Innenministerium habe für das nächste Haushaltsjahr 60 Millionen Euro mehr für Ausstattungen beantragt, kritisierte der PDS-Fraktionschef. Die Ausgaben zur sozialen Sicherung sind seit dem Jahre 1991 jedes Jahr gestiegen. Nach einer gewissen Stagnation von 1995 bis 1999, gab es ab 2000 jedes Jahr einen Anstieg. Im Jahre 2004 rechnet Finanzbeigeordneter Burkhard Exner mit einem Zuschussbedarf in Höhe von 72 Millionen Euro. Zum Vergleich: Im Jahre 1991 waren es acht Millionen Euro. Der Trend zur Ausgabensteigerung für soziale Leistungen hat seine Ursachen in den volkswirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Fehlendes Wirtschaftswachstum und zunehmende Arbeitslosigkeit erhöhen die Zahl der Anspruchsberechtigten in der Sozialhilfe. Seit 1999 hat es in Potsdam eine Steigerung der „Fallzahlen“ von fünfzig Prozent gegeben: 1999 waren es 1656 Sozialhilfeempfänger, per 30. September 2003 sind es 2692 Fälle. Ähnlich ist es bei den Kontingentflüchtlingen, die der Stadt zugeteilten Aussiedler. Die Zahl der Anspruchsberechtigten ist nach einer Aufstellung der Stadtverwaltung von 1249 Fällen im Jahre 1999 um 351 Fälle im Jahre 2002 angestiegen. Gestiegen sind auch die Zuschüsse der Stadt an die Träger von Kindereinrichtungen. Mussten für das Kita-Jahr 2002/2003 noch 7675 Plätze bezuschusst werden, sind es für das Kita-Jahr 2003/2004 bereits 8047 Plätze. Die Personalkosten stiegen von 2002 bis 2004 um 8 Millionen Euro.

Günter Schenke

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })