Landeshauptstadt: Potsdamer Medienpreis für Istanbuler Aktivist
Der als „Stehender Mann“ bekannt gewordene türkische Tänzer Erdem Gündüz wird mit dem M100 Media Award ausgezeichnet. Am 5. September findet die Preisverleihung statt
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Der diesjährige Preis des internationalen Potsdamer Medienforums M100 geht an den als „Stehender Mann“ bekanngewordenen Türken Erdem Gündüz. Der Tänzer und Choreograf hatte im vergangenen Juni und Juli mit seinem stummen Protest auf dem Taksim-Platz in Istanbul den Blick auf das zum Abriss vorgesehene Atatürk-Kulturzentrum gelenkt. „Mit seinem stillen Protest wurde er zur Ikone des friedlichen Widerstandes und fand weltweit Nachahmer“, hieß es am Montag vom M100-Beirat in Potsdam. Gündüz werde für sein mutiges Engagement für freie Meinungsäußerung und Menschenrechte mit dem undotierten Preis ausgezeichnet.
Der 34-Jährige wird die Auszeichnung am 5. September in Potsdam im Rahmen des Medienforums mit international hochrangigen Journalisten und Politikern erhalten. „Durch die Auszeichnung von Erdem Gündüz mit dem M100 Media Award wird auch in diesem Jahr wieder ein klares Zeichen gesetzt, dass gewaltfreier friedlicher Widerstand funktioniert“, so Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD), Vorsitzender des Medienforums. „Seine Waffe heißt Kreativität. Seine Markenzeichen sind Mut und Ausdauer. Und all das braucht man auch, wenn man für freie Meinungsäußerung und die Menschenrechte eintritt.“
Gündüz hatte seinen Protest am 17. Juni begonnen, nachdem die Polizei zwei Tage zuvor den Gezi-Park in Istanbul zum zweiten Mal gewaltsam von Demonstranten geräumt hatte. „Einige Leute starben während der Kundgebungen“, sagte Gündüz. „Was im Gezi-Park geschah, war für mich der Wendepunkt und ich wusste, dass ich da mitmachen muss.“ Sein erster stiller Protest dauerte acht Stunden, nach fünf Stunden wurde seine Performance von einer großen Anzahl von Menschen bemerkt. Zuerst versuchten Polizisten in Zivil, ihn zu überzeugen, seine Aktion zu beenden, dann folgten weitere seinem Beispiel und schlossen sich ihm spontan an. Sie agierten völlig autonom. In den folgenden Tagen standen viele Menschen in anderen türkischen Städten und in anderen Ländern still, um ihre Enttäuschung und Solidarität auszudrücken.
Die Berichterstattung über die Gezi-Proteste in Istanbul hätten gezeigt, wie groß der Druck auf Journalisten in der Türkei sei, Kritik an der Regierung unter den Teppich zu kehren, sagte Michael Rediske, Vorstandssprecher von Reporter ohne Grenzen. „Mit seiner spektakulären Aktion auf dem Taksim-Platz hat Erdem Gündüz demonstriert, dass selbst ein einzelner Mensch ein Zeichen für die Meinungsfreiheit setzen kann.“
Die Medienkonferenz M100 Sanssouci Colloquium steht in diesem Jahr unter dem Titel „Zerstören die Medien Europa? („Are the Media destroying Europe?“). Hauptredner ist der österreichische Essayist Robert Menasse. Zu den bisherigen Preisträgern zählen unter anderen der dänische Karikaturist Knut Westergaard oder der chinesische Blogger Michael Anti. Im vergangenen Jahr wurde der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, mit dem Award ausgezeichnet. dpa/wik
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