Landeshauptstadt: Potsdamer Praxen geht die Luft aus Neue Honorare stellen Fachärzte schlechter.
Vier Neurologinnen gehen an die Öffentlichkeit
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„Im letzten Quartal habe ich das niedrigste Honorar seit der Gründung der Praxis 1991 bekommen.“ Sollte es dabei bleiben, sei Gudrun Fischer gezwungen, die Praxis zu schließen, sagte die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie in Babelsberg gestern den PNN. Zusammen mit drei Kolleginnen will Fischer jetzt mit einem offenen Brief auf die finanzielle Lage der Praxen in Potsdam und Umgebung aufmerksam zu machen.
Nachdem die niedergelassenen Ärzte bereits im ersten Quartal 2005 landesweit rund drei Millionen Euro Mindereinnahmen verbuchten, sind nach einer Reform der Honorare jetzt offenbar besonders Fachärzte von Einkommenseinbußen betroffen. Nach eigenen Angaben blieb einer der Neurologinnen zuletzt nach Abzug aller Kosten ein Nettoverdienst von rund 500 Euro monatlich. Vor der jüngsten Anpassung der Honorare Ende Oktober seien es immerhin noch etwa 1500 Euro gewesen. Alle vier sind entschlossen, den Praxenbetrieb einzustellen, sollten sich die Honorare nicht mehr erhöhen. Bis jetzt behandelt Fischer rund 950 Patienten im Quartal, seit zwei Jahren erstellt sie zusätzlich zum Praxisbetrieb noch Gutachten. „Damit verdiene ich mehr als mit meinen Patienten - leider.“
„Es ist schlicht und einfach nicht mehr rentabel. Und das, obwohl meine Patienten ein halbes Jahr auf einen Termin warten müssen“, sagte Roswitha Perlewitz, Fachärztin für Kinderpsychiatrie in Kleinmachnow und eine der vier Unterzeichnerinnen. Mit der letzten Honorarabrechnung Ende Oktober habe die Ärztin rund 20 000 Euro weniger erhalten als zuvor. Obwohl sie bereits Einspruch bei der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) eingelegt habe, rechnet Perlewitz mit Einnahmeverlusten von bis zu 30 Prozent.
Für KV-Sprecher Ralf Herre liegt die Ursache bei den Krankenkassen: Bei der Festlegung der neuen Honorare hätten die Kassen auch darauf gedrungen, Ärzte einer Fachgruppe unterschiedlich zu vergüten. „Zum Beispiel ist jetzt ein Augenarzt, der auch operiert, besser gestellt als sein Kollege, der eher traditionell behandelt“, so Herre. „Die Krankenkassen waren seit Monaten informiert. Jetzt so zu tun, als sei man über die Entwicklungen überrascht, geht schlicht nicht.“
AOK-Sprecher Jörg Trinogga meint dagegen, die KV habe intern bereits seit 2004 über eine neue Gebührenordnung gesprochen. Erst danach seien die Kassen informiert worden.
Richtig sei allerdings, dass die AOK auf die Änderung des Vergütungssystems gedrungen habe, um bundesweit einheitlich Arztleistungen berechnen zu können. „Dabei haben wir auch der Forderung nachgegeben, die Hausärzte besser zu stellen“, so Trinogga. „Wir honorieren die Arbeit der Ärzte. Aber wir können das vorhandene Geld nur einmal verteilen“, so Trinogga.Holger Dirks
Holger Dirks
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