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Landeshauptstadt: Potsdamer „Rost-Show“

Stadt rechtfertigt Hallenschließung / Cottbuser Bürgerinitiative fühlt sich an „Mord“ der dortigen Schwimmhalle erinnert

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Gutachter stehen an der Schwimmhalle am Brauhausberg auf ihren Hebebühnen und öffnen eine Verkleidung nach der anderen. Sie mustern die dahinter frei liegenden, zumeist rostigen Stahl-Gelenke, die für die Tragfähigkeit des Daches verantwortlich sind. Ein Großteil ist so stark korrodiert, dass die Halle aus Sicherheitsgründen bereits Ende vergangener Woche geschlossen wurde.

Eine solch dramatische Rostentwicklung sei 1992 so nicht absehbar gewesen, teilt die Stadt nun gestern eilig mit und versuchte damit, die Aussagen vom Vortag zu relativieren. Ein leitender Mitarbeiter der Stadt hatte am Mittwochabend im Hauptausschuss öffentlich erklärt, dem Hochbauamt liege seit 1992 ein Gutachten vor, aus dem der komplette Sanierungsbedarf der Halle ersichtlich sei. In internen Kreisen der Kommunalpolitik wird die derzeit laufende Rechtfertigung der Schließung der Brauhausberg-Halle bereits als „Rost-Show“ bezeichnet.

Gestern hieß es von der Stadt zudem offiziell, bis zur Erstellung des Gutachtens 1992 habe sich in den 21 Jahren zwischen Halleneröffnung und Prüfung nur eine „Flugrostschicht“ gebildet. Die jetzt festgestellte Durchrostung, die laut Diplom-Ingenieur Norbert Seidel an einigen Schrauben bis zu 50 Prozent des Materials betrage, habe sich erst in den vergangenen Jahren entwickelt. Außerdem sagte Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) gestern, dass die Halle am Brauhausberg „Konstruktionsfehler aufweist“. Das hätten „die kürzlich im Rahmen der Vorbereitung der Komplettsanierung der Schwimmhalle auf dem Brauhausberg durchgeführten Untersuchungen ergeben“, so Jakobs weiter.

Eine solche Komplettsanierung ist jedoch nach Angaben des Wirtschaftsministeriums nicht mehr Bestandteil der Gespräche über die Planungen zum Bau des Niemeyer-Bades, seit Minister Ulrich Junghanns im Dezember forderte, die Kosten zu reduzieren. Die Stadt hatte daraufhin ein Konzept vorgelegt, das lediglich die bauliche Anpassung der bestehenden Schwimmhalle an die Niemeyer-Planungen vorsah.

Der Sprecher der Stadtwerke Stefan Klotz – sie sollen Bauherr für das Niemeyer-Bad sein und betreiben über die Bäderlandschaft Potsdam GmbH die Schwimmbäder der Stadt – wollte die Aussagen des Oberbürgermeisters gestern nicht kommentieren. Auch nicht, ob es eine frühere Untersuchung der Schwimmhalle gegeben habe, bei der die jetzt festgestellten Schäden hätten erkannt werden können. Aktuelle Zwischenstände der derzeitigen Prüfung am Brauhausberg gebe es ebenfalls nicht.

Was Potsdamer mit der Schwimmhalle am Brauhausberg derzeit erleben, haben die Cottbuser bereits hinter sich. Die dortige Schwimmhalle wurde im Dezember 2003 offiziell wegen Baufälligkeit geschlossen. „Geboren 1975, ermordet am 8. Dezember 2003“ lautete daraufhin die Überschrift eines ganzseitigen Leserbriefes in einer Cottbuser Zeitung. „Je länger die Bürgerinitiative ,Bauingenieure gegen Sportschwimmhallenabriss“ in den dubiosen Vorgängen um die Schließung der Sportschwimmhalle recherchiert, bestätigt sich unser Verdacht, dass die Sportschwimmhalle keines natürlichen Todes verstarb, sondern wohl aus ,niedrigen Beweggründen und Heimtücke“ ermordet wurde“, heißt es darin.

Die jüngsten Entwicklungen des Freizeitbadbaus in Potsdam erinnern einen Bau-Ingenieur der Cottbuser Bürgerinitiative „in der Zielstellung“ an die Vorkommnisse in der Lausitz. In Cottbus sollte die Sportschwimmhalle mit 50-Meter-Bahn nach Willen der Stadt zu einem Freizeitbad umgebaut werden, doch die beantragte Förderung durch das Land wurde abgelehnt. Die Cottbuser Bürgerinitiative kommentierte daraufhin, die Schäden an der Halle seien „mutwillig in böser Absicht herbeigeführt worden, um die Schließung vor den Bürgern als auch den fördermittelvergebenden Behörden zu rechtfertigen“.

In Potsdam will sich ein seit Monaten am Streit um den Bad-Neubau Beteiligter dagegen auch durch die Schließung der Brauhausberg-Halle nicht unterkriegen lassen. Frank Bohn, Saunabetreiber am Brauhausberg, sagte gestern auf Anfrage: „Das Problem Bohn ist damit nicht gelöst.“ Er erklärte erneut, er habe einen bis 2016 gültigen Pachtvertrag. Auch die Schließung der Schwimmhalle würde den Verpächter – die Bäderlandschaft Potsdam GmbH – nicht aus der Pflicht nehmen, sagte Bohn nach Rücksprache mit Rechtsanwälten.

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