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Landeshauptstadt: Potsdams Bürgerschaft ist gefragt

Die Diskussion um das neue Toleranzedikt von Potsdam soll auch an Aufstellern in der Stadt stattfinden

Es muss schon blind sein, wer in den kommenden Monaten nicht die Diskussion um das Toleranzedikt in Potsdam bemerke. Dessen ist sich Oberbürgermeister Jann Jakobs sicher. Postkarten werde es geben, Plakate, ein Forum im Internet, nicht zuletzt Aufsteller in allen Stadtvierteln, an denen die Potsdamer die zehn Thesen des wieder aufgelegten Toleranzedikts von Potsdam diskutieren könnten. Ohne Zensur. Auch auf die Gefahr hin, dass Extremisten dort schreiben. „Doch dann ist nicht die Stadtverwaltung gefragt, sondern Potsdams Bürgerschaft“, sagte Jakobs bei der gestrigen Präsentations des ehrgeizigen Vorhabens. Dessen Sinn hatte zuvor der Potsdamer Politikprofessor Heinz Kleger erklärt, der auch den Text des Edikt-Entwurfs verfasst hatte: Eine Stadt wie Potsdam mit ihren Wachstumszahlen brauche eine „neue zivile Grundlage für seine Bürgerschaft“.

Für den Diskussionsprozess gewonnen sind bereits mehrere Potsdamer Institutionen, die sich gestern zu der Idee bekannten. „Wir haben ein großes Interesse, weil wir ohne Toleranz nicht einer der größten Filmstandorte in Deutschland wären“, sagte etwa Christoph Fisser vom Studio Babelsberg. Wolfgang Cornelius als Chef der AG Innenstadt sagte, er werde den Händlern vorschlagen, ob diese Patenschaften für einzelne Aufsteller übernehmen könnten – um die Diskussionstafeln in der Nacht vor Vandalismus zu schützen. Ebenso zu den Unterstützern gehören die AG Babelsberg, der Tourismusverband Potsdam-Havelland und die in der Schiffbauergasse ansässigen Kulturhäuser und Wirtschaftsunternehmen. Die Diskussion koordinieren wird der proWissen e.V., Dachverein der Hochschulen und Forschungseinrichtungen der Stadt. „Wir möchten die Diskussion um das Edikt nicht einseitig auf Rassismus beziehen, sondern den Begriff weiter auf viele Minderheiten ausdehnen“, sagte Simone Leinkauf, Leiterin von proWissen.

Um dabei aber nicht nur die üblichen Teilnehmer demokratischer Dispute zu erreichen, sollen die Thesen in den nächsten beiden Monaten auch in einfachere Worte gekleidet werden – um sie etwa auch in Schulen diskutieren zu können.

Die Gespräche sollen am Ende dokumentiert werden. Wie genau eine Zusammenfassung der Ergebnisse aber aussehen könnte, ist unklar, gibt auch Jann Jakobs zu: „Gut wäre es aber, wenn sich Institutionen am Ende zu eigenen Handlungsmaximen bekennen.“ Dazu könnten die Thesen von Heinz Kleger Hilfe bieten. Auch den Parteien in der Stadtverordnetenversammlung „stünde es gut zu Gesicht“, so Jakobs, sich mit dem Edikt zu beschäftigen. Er werde aber keinen eigenen Antrag einbringen, betonte der Oberbürgermeister – denn schließlich sollten die Gedanken hinter dem Edikt aus der Bürgerschaft und nicht von der Verwaltung kommen. Kleger nickte da. Zuvor hatte er das Edikt auch als wichtig für die Stadtentwicklung bezeichnet: Als Beispiel nannte er dafür den möglichen Wiederaufbau der Garnisonkirche – aber nur mit einem Versöhnungszentrum für ein neues Kapitel in deren Geschichte, diesmal unter dem Wert der Toleranz.

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