Landeshauptstadt: Potsdams höchste Baustelle
Kreuz, Weltkugel und Laterne der Kirche St. Nikolai werden saniert – und 30 Einschusslöcher gestopft
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Innenstadt - Mehrere Einschusslöcher haben Torsten Stolze und Bernhard Lorenz während der Arbeiten an der Kuppel der Kirche St. Nikolai am Alten Markt in den vergangenen Tagen entdeckt. An die 30 kleine Lecke im Kupfermantel des Schinkelbaus seien zu sehen. Auch Scheiben der Fensterluken sind zerschossen, sagten die beiden Vorarbeiter aus Ottendorf-Okrilla, die gestern das kupferblechene Kirchenkreuz vom Kaiserstiel hoben. Jeden Tag werden sie nun 30 Meter mit dem Lift fahren sowie 218 Stufen des Gerüstes erklimmen und der evangelischen Kirche aufs Dach steigen. Denn die Laterne samt Weltkugel und Kreuz soll bis Ende Oktober vor Ort entrostet und mit neuen Kupferblechen versehen beziehungsweise neu vergoldet werden.
Die Einschüsse verwundern die beiden Vorarbeiter dennoch, denn der einst von Schinkel entworfene Kuppelbau wurde erst nach dem Zweiten Weltkrieg wieder auf den Tambour gesetzt. „Die Russen haben danach immer mal wieder Zielschießen auf das Dach gemacht“, sagte Nikolaikirchen-Geschäftsführer Joachim Uhlig gestern auf dem Gerüst neben der Spitze der Kirche – direkt am Kirchenkreuz, 78 Meter über dem Alten Markt, auf dem höchsten Bauwerk der Landeshauptstadt. Dessen Dach und Fassade sollen in den kommenden drei Jahren für 6,05 Millionen Euro saniert werden und einen neuen Anstrich bekommen.
Dass sich die Deutsche Stiftung Denkmalpflege an den Sanierungskosten beteiligen wird, davon geht Uhlig inzwischen wieder aus. Wie er gestern sagte, habe es Signale gegeben, dass sich die Stiftung im kommenden Jahr mit einem Betrag, der „um ein Vielfaches höher“ sei als bislang in Aussicht gestellt, beteiligen wird. Für dieses Jahr wurde die geplante Zuwendung von 50 000 Euro abgesagt, denn der Tambour zwischen Kirchenschiff und Kuppel wird in den nächsten Wochen für ein Jahr mit einem Werbebanner verhangen. Ein Grund für die Stiftung, während dieser Zeit keine Gelder zu geben. Denn das schließt die Stiftungssatzung aus. Das Banner soll jedoch in diesem Jahr weitaus mehr Geld in die Kirchenkasse spülen als die Stiftung in dem Jahr in Aussicht gestellt hat. Die Gemeinde muss nach momentanen Rechnungen mehr als ein Drittel der Sanierungskosten selbst aufbringen. Eine Firma für die Werbung sei daher inzwischen ausgewählt, sagte Uhlig gestern: „Nun werden Gespräche geführt, für was auf dem Plakat geworben wird.“ Er wünsche sich lieber Firmen- als Produktwerbung.
Die beiden Vorarbeiter Stolze und Lorenz öffneten unterdessen das am 28. August 1962 von Klempnermeister Robert Kahlbau montierte Kreuz und bargen die zugelötete Kupferrolle samt Inhalt. Diese vermutlich mit einem Zeitdokument und Münzen gefüllte Schatulle wird nun bei der Kirchgemeinde bis zur Öffnung aufbewahrt und am Ende der Arbeiten wieder im Kreuz verankert. Aufgemacht werde sie aber erst, wenn die Pfarrerin wieder aus dem Urlaub da ist, so Uhlig.
47 Tonnen Stahl halten die Kuppel, die in den letzten Kriegstagen eingestürzt ist und zwischen 1955 und 1962 neu aufgebaut wurde. Das Kupferblech dafür, das laut den Autoren des Buches „St. Nikolai Potsdam – 150 Jahre unter der Kuppel“ aus der Bundesrepublik sowie von geborgenem, aufgearbeitetem Metallschrott kam, hält laut Uhlig noch mehrere Jahrzehnte. Daher sollen lediglich die Einschusslöcher zugemacht und somit weiteres Reinregnen in den Bau verhindert werden. Dazu wird sich Stolze in der kommenden Woche abseilen und die Löcher stopfen. Er und Lorenz sind nicht zum ersten Mal für die sächsische Firma Fuchs+Girke in der Potsdamer Höhenluft unterwegs: Zu ihren Bauprojekten gehörten bislang auch Kuppeldächer auf dem Telegrafenberg, das Dach der katholischen Kirche St. Peter und Paul sowie der Monopteros und die Caritas auf dem Großen Waisenhaus. Die Nikolaikirche ist jedoch die höchste Baustelle der Landeshauptstadt.
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