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Landeshauptstadt: Potsdams neues Juwel

Nächste Woche Theatereröffnung am Tiefen See / Bundespräsident interessiert sich für „futuristischen Neubau“

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Der Lohn aller Angst und Sorge kommt nächste Woche, am Freitag, dem 22. September. Dann öffnet der Neubau des Hans Otto Theaters. Damit ist die sagenhafte Odyssee der letzten 15 Jahre nun offiziell beendet. Diejenigen, die nicht locker ließen und die immer wieder die verkümmernde Saat des Theaterneubaus hegten, können die Ernte einfahren.

Eigentlich war schon am Mittwoch, dem 16. April 2003, der entscheidende Abschluss einer Theatergeschichte, die ihresgleichen suchen dürfte, erreicht. An diesem Tag nämlich rückte an der Schiffbauergasse schweres Gerät an und rammte den ersten Gründungspfahl in den Boden der ehemaligen Potsdamer Gasanstalt: Symbolischer erster Spatenstich.

Vorausgegangen war dem im Jahre 1991 der Abbruch des Theaterrohbaus auf dem Alten Markt, der noch zu DDR-Zeit begonnen wurde. Das angestammte Theaterhaus in der Zimmerstraße, wegen Asbestbelastung geschlossen, bedurfte eines Ersatzes und es entstand das Theaterprovisorium an der Alten Fahrt. Dann folgten unsägliche Diskussionen und ein großes Hin- und Her zum Standort des Neubaus. Vom Finanzpoker ganz zu schweigen. Dem damaligen Intendanten Guido Huonder wird zugeschrieben, dass er die Idee mit der Schiffbauergasse hatte.

Und als schon alles in Sack und Tüten schien, als die Landesentwicklungsgesellschaft (LEG) als Bauherr beauftragt und Architekt Gottfried Böhm zur erneuten Anpassung seines Entwurfes veranlasst war, als der damalige Oberbürgermeister Matthias Platzeck den ersten Förderbescheid in den Händen hielt, platzte das Projekt erneut, weil die LEG zu Bruch ging.

Aber die politisch führende Partei, die SPD, konnte auf keiner Ebene zurück. Schon gar nicht Matthias Platzeck. Schließlich hatten die Genossen mit der Abwicklung der Brandenburgischen Philharmonie das heilige Versprechen abgegeben, ein neues Theater bauen zu lassen. Kostenpunkt: 59 Millionen DM.

Als dann das städtische Hochbauamt mit seinem Leiter Norbert John in die Bresche sprang und als Bauherr firmierte, ging das Projekt endlich wieder voran und ist nun bis auf wenige Restarbeiten vollendet.

Ein neues Theater wird nicht alle Jahre und Jahrzehnte eröffnet und so ist das Interesse allenthalben groß. Bundespräsident Horst Köhler kommt in Begleitung seiner Ehefrau Eva Luise zur Eröffnung. In einem Brief an Potsdams Oberbürgermeister hat Köhler vom „futuristischen“ Theaterneubau gesprochen. Was ist futuristisch? Es ist vor allem das Muschel-Dach über dem 465 Besucher fassenden Zuschauerraum. Es besteht aus drei Betonschalen, die weit hervorragen, eine typische Konstruktion des weithin bekannten Architekten Gottfried Böhm. Andere Architekten fragen zwar etwas hinterhältig nach der Funktion dieser Dächer, deren Herstellung selbst erfahrenen Betonbauern manche Probleme bereitet haben, doch steht zweifellos ihre ästhetische Fernwirkung fest. Von der Humboldtbrücke aus, die wegen der Verkehrsbelastung freilich kein Spazierpfad ist, und vom Babelsberger Park aus ist das neue Potsdamer Juwel ein schöner Blickpunkt.

Das Innere genügt allen Bedürfnissen – auch den akustischen Anforderungen, wie der Architekt versichert. Wenn einmal nicht Theater gespielt wird, sondern eine Festlichkeit begangen wird, lässt sich aus dem Zuschauerraum ein großer Ballsaal machen. Das Geheimnis der Verwandlung ist eine Hydraulik, die das Parkett auf ein gleichmäßiges Niveau hebt.

Noch zur Wendezeit funktionierte das Gaswerk am Standort des heutigen Theaters und vom Park Babelsberg aus waren die Gasometer, welche das Ufer am Tiefen See prägten, zu sehen. Von den Gasometern ist nur der Stumpf des größten Behälters übrig geblieben. Böhm baute den riesigen Stahlzylinder in das Theater ein. Es ist der künftige Anlieferbereich, der Hintereingang des neuen Hauses. Und damit das Ganze nicht so grau wirkt, hat Gottfried Böhms Sohn Markus das Gasometer rund mit roten Grafiken, welche die Gravitation symbolisieren, verziert.

„Es ist der preiswerteste Theaterbau, den ich kenne“, sagt Erich Münkner, bauleitender Sachbearbeiter im Rathaus.Günter Schenke

Günter Schenke

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