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Landeshauptstadt: PPP im 19. Jahrhundert

Palast Barberini setzt Maßstäbe für Neubebauung der Südseite des Alten Marktes

Stand:

Innenstadt - Mit einer „Mischung aus Wohnen und Gewerbe“ wird die Südseite des Alten Marktes an der Alten Fahrt wieder eine Bebauung erhalten. Darüber informiert die Stadtverwaltung in ihrer Bürgerbroschüre „Potsdam Stadtmitte“. Die 22 000 Quadratmeter Geschossfläche sollen sich am historischen Stadtgrundriss orientieren und wie die 1948 abgetragenen Gebäude in ihrer Höhe und der Zahl der Geschosse variieren. Dabei müsse „die stadträumliche Bedeutung der Platzfassade des ehemaligen Palais Barberini beachtet“ werden.

Damit rückt ein nicht nur städtebaulich und architektonisch wichtiges, sondern auch geschichtsträchtiges Gebäude, das am Kriegende 1945 schwer beschädigt und am 24. März 1948 gesprengt worden war, wieder in den Blickpunkt. Wie groß das Interesse dafür ist, zeigte der überfüllte Saal im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte (HBPG), als der Bauhistoriker Andreas Kitschke über „Ein Privat-Partnership-Project (PPP) des 19. Jahrhunderts: Der Palast Barberini wird zum Vereinslokal“ sprach.

Für Gesprächsstoff sorgte der Bau von Anfang an. Dem Bürgerhaus hatte König Friedrich II. die aufwändige Fassade des Adelspalastes der Barberini in Rom zum Vorbild bestimmt. Pfuscharbeit führte dazu, dass am 23. November 1772 ein Teil des Rohbaus einstürzte, wobei mehrere Bauleute ihr Leben verloren. Die Ähnlichkeit der Namen ließen später die Legende entstehen, der Palast habe der von Friedrich II. hoch verehrten und hoch bezahlten Tänzerin Barbarina als Wohnung gedient. Die aber weilte zwischen 1744 und 1748 gelegentlich in Potsdam, da stand das Palais noch gar nicht. Dennoch bezeichnete Stadthistoriograph Hans Kania diese Legende noch 1929 als „nicht ausrottbar“.

Die große Stunde des Palastes schlug aber erst, als er ab 1846 auf Wunsch Friedrich Wilhelms IV. nach einem Entwurf von Ludwig Persius durch Ludwig Ferdinand Hesse um zwei Seitenflügel erweitert und zum Haus für die wissenschaftlichen und künstlerischen Vereine ausgebaut wurde. Der König wollte das Gebäude 1844 für die Krone ankaufen, aber wie in anderen Fällen lehnte Hofmarschall Georg von Meyerinck (Kitschke: „ein mutiger Mann“) dies als zu teuer ab. Daraufhin wurde eine privat-öffentliche Finanzierung gewählt, ein Modell, wie es als PPP heute in Potsdam wieder in aller Munde, aber bisher kaum einmal verwirklicht worden ist. Die Maurermeister Heinrich Zech und Gottlieb Friedrich Hecker erwarben das Grundstück für 23 700 Taler. Die Krone zahlte in zehn Jahresschritten einen Zuschuss von insgesamt 80 000 Talern. Die Eigentümer verpflichteten sich, das Haupthaus mit zwei Sälen auszustatten und den Kulturvereinen unentgeltlich zur Verfügung zu stellen. Als Ausgleich dienten die Mieteinnahmen aus den Wohnungen, die sie in den neuen Seitenflügeln einrichteten. Ob sich PPP für Zech und Hecker gerechnet hat, ist zu bezweifeln. Kitschke fand jedenfalls in den Archiven Gesuche um ein Gnadengeschenk von 20 000 Talern beziehungsweise für den Ankauf des Vereinshauses durch die Krone für 42 000 Taler.

Dort fanden der Gesangsverein für klassische Musik, die Liedertafel, die Literarische Gesellschaft, der Kunstverein, der Sankt-Lukas-Verein (für bildende Kunst) und die Philharmonische Gesellschaft, gelegentlich auch die Jüdische Gemeinde über Jahrzehnte beste Möglichkeiten für ihre bis heute in Potsdam unübertroffenen kulturellen Angebote. Der König selbst, Lenné, Persius, Berghaus, Prinzen und Fürsten zählten zu ihren Mitgliedern, Clara Schumann, Anton und Arthur Rubinstein, Wilhelm Kempff, Wilhelm Furtwängler und Otto Becker zu den Interpreten. Selbst als die Stadt 1912 den Palast ankaufte, blieben bis 1945 Reste einer kulturellen Nutzung (Museum, Bibliothek) erhalten, wie bei dem Vortrag Zeitzeugen bestätigten.

Diese Funktion wird allerdings bei der angeblich „wie früher“ auf Wohnen und Gewerbe ausgerichteten Neubebauung nicht einmal erwähnt. Um so wichtiger erscheint, dass die platzbildende Wirkung auch bei dieser Bebauung gesichert wird. Der Palast Barberini wirkte nicht nur durch seine Fassade, sondern stellte mit seiner Säulenhalle und den Durchgängen auch die Verbindung zwischen Altem Markt und dem Gebiet südlich der Alten Fahrt bis hin zum Hauptbahnhof her. Schon Kania erkannte, dass mit dem Umbau unter Friedrich Wilhelm IV. „zum ersten Mal die Wirkung nach der Landschaft Potsdam zu ins Auge gefasst“ wurde. Der Palast deute „damit sinnbildlich auf eine stärkere Einordnung des Stadtbildes in das Landschaftsbild Potsdam“ hin.

Die Projektentwickler und Architekten einer adäquaten Neubebauung stehen also vor schwierigen Aufgaben. Vor diesem Hintergrund ist, wie berichtet, der Bauausschuss der Stadtverordnetenversammlung davon abgerückt, dass der Streifen zwischen Altem Markt und Alter Fahrt nach dem vereinfachten Genehmigungsverfahren des Paragrafen 34 Baugesetzbuch bebaut wird. Nunmehr soll auch für diesen Bereich ein ordnungsgemäßer Bebauungsplan aufgestellt werden, der eine Festlegung der Baumassen, der Größe und Höhe der Gebäude ermöglicht und die Bürgerbeteiligung vorschreibt.

Erhart Hohenstein

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