Landeshauptstadt: Pracht des Neorokoko – aber nicht für den Zaren
Textilrestauratoren geben der Orangeriewohnung ursprünglichen Raumeindruck zurück
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Sanssouci - Im Orangerieschloss von Sanssouci, einem der großen Sorgenkinder der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten, ist in den vergangenen Jahren die westliche Pflanzenhalle restauriert worden; auch die Osthalle wird nach Auszug des Landeshauptarchivs wieder für das Unterstellen der Kübelgewächse genutzt. Vor kurzem hat am Südwestpavillon die Fassadensanierung begonnen.
Von der Öffentlichkeit bisher unbeachtet blieben dagegen die Bemühungen um eine originalgerechte Wiederherstellung der Innenausstattung im Mittelbau mit dem Raffaelsaal und fünf Wohnräumen. Dabei spielen die im Stil des Neorokoko gehaltenen textilen Wandbespannungen, Vorhänge, Posamenten und Polstermöbel eine besondere Rolle, denn sie sind prägend für den Raumeindruck. Schon seit den 1980er Jahren setzen die Textilrestauratoren ein Konzept um, mit dem die Atmosphäre aus der Zeit um 1860 zurückgewonnen werden soll. In einer Sonderführung zur Ausstellung „Marmor, Stein und Eisen bricht ..“ erläuterte gestern Christa Zitzmann einer stattlichen Interessentenschar diese Arbeiten. Dabei hat in den 1990er Jahren ein Umdenken eingesetzt, berichtete die Leiterin der Textilrestaurierungswerkstatt der Stiftung. Nachdem es in der DDR gelungen war, im Vogtland wieder eine Produktion historischer Seiden aufzubauen, wurden die vor allem durch den Lichteinfall zerschlissenen und verblichenen Wandbespannungen, Vorhänge und Polsterbezüge meist durch nachgewebte Stoffe ersetzt. Dies entsprach durchaus der Tradition, denn früher hatten die Hoftapezierer die Raumtextilien meist nach wenigen Jahrzehnten erneuert.
Inzwischen stellen die Restauratoren jedoch die Erhaltung der Originale in den Vordergrund. Für die Sanssouci-Orangerie gewinnt dies besonders an Bedeutung, denn dort hat sich ein erheblicher Teil der ursprünglichen Raumausstattung erhalten. Christa Zitzmann erläuterte dazu verschiedene Methoden der Restaurierung. So werden die Stoffe gereinigt, Fehlstellen beseitigt, mit einem Seidengewebe unterlegt und an der Oberfläche durch eine kaum sichtbare Polyamidgaze geschützt, die inzwischen durch einen noch feineren Tüll aus demselben Kunststoff abgelöst worden ist.
Die Forschungen und Untersuchungen, die den Arbeiten vorausgehen, haben übrigens teils überraschende Ergebnisse erbracht. War man beim Raffaelsaal von einer Wandbespannung aus rotem Damast ausgegangen, stellte sich heraus, dass sie ursprünglich aus mit einer anderen Webart erzeugter Coteline bestand. Dies wurde bei der Erneuerung berücksichtigt.
Die Forschungen erbrachten auch über die Raumtextilien hinausgehende neue Erkenntnisse. Dazu zählt, dass die Räume nicht wie angenommen als Gästewohnung für das Zarenpaar Nikolaus I. und Alexandra Feodorowna dienten, denn die Inneneinrichtung erfolgte erst 1858, drei Jahre nach dem Tod des russischen Herrschers. Erhart Hohenstein
Erhart Hohenstein
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