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Von Richard Rabensaat: Preiswürdig

Kongress-Preis geht an „Sehsüchte“ und drei Tagungen der Universität Potsdam

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„Da kommt ein bisschen Oscar-Feeling auf“, findet Marina Ringel. Die Moderatorin präsentiert die Gewinner des Potsdamer Kongress-Preises, der dieses Jahr zum ersten Mal vergeben wird. Immerhin 1000 Euro erhalten die Gekürten aus drei Kategorien, wobei die Summe zumeist an ein ganzes Team geht. Es ist eher eine symbolische Anerkennung, mit dem der Verein „Pro Wissen“ und die Erfa Hotel Gruppe die Potsdamer Wissenschaftslandschaft würdigen, aber auch für den Hotel- und Gastronomie-Standort Potsdam werben wollen. Beworben für den Preis hatten sich 22 Kongresse und Veranstaltungen.

Drei Kategorien haben sich die Jurymitglieder ausgedacht. Das Studentenfilmfestival „Sehsüchte“ erhielt den Preis als beste regelmäßig wiederkehrende Veranstaltung. 1972 gründeten Studenten die Studentenfilmtage, die dann nach dem Mauerfall 1995 als unter dem Titel „Sehsüchte“ wiederbelebt wurden. Als Schaufenster für experimentelle Erstlingswerke von Filmemachern hat sich das Festival über mehrere Jahrzehnte europaweit einen glänzenden Ruf erarbeitet. Bis zu 10 000 Besucher und Zuschauer interessieren sich Jahr für Jahr für neue Perspektiven und Sichtweisen des Filmnachwuchses. Entsprechend hoch ist der Aufwand für das Organisationsteam, das dieses Jahr aus 30 Studenten bestand.

Den Preis für die beste Einzelveranstaltung erhielt die „Generalkonferenz des European Consortium für Political Research“ die von der Uni Potsdam organisiert wurde. Politische Systeme, die Entwicklung von Demokratien weltweit, Wahlen und Regierungsformen waren das Thema der größten Tagung im Bewerbungszeitraum. In rund 400 Veranstaltungen, die in der Universität, der Hochschule für Film und Fernsehen und in der Biosphäre stattfanden, diskutierten etwa 2500 internationale Politikwissenschaftler. Preiswürdig sei nicht zuletzt der Nachweis, dass Potsdam eine Veranstaltung dieser Größenordnung überhaupt durchführen könne, kommentierten die Juroren.

Von drei nominierten Kongressen der letzten Kategorie fand die Jury gleich zwei so bemerkenswert, dass sie den Preis an diese vergab und dementsprechend das Preisgeld aufteilte: Strafrechtliche Probleme bei der Behandlung von sexueller Gewalt (Uni Potsdam) und der geniale Mathematiker Hermann Graßmann (Uni Potsdam) waren Thema jeweils eines Kongresses.

Teilnehmer aus aller Welt beschäftigten sich im Herbst 2009 in Potsdam mit der justiziellen Würdigung sexuell ausgerichteter Verbrechen und räumten dabei mit einigen Vorurteilen auf. Nicht im dunklen Wald, sondern eher im privaten Umfeld drohen Frauen Gefahren. Die Organisatorin Barbara Krahé (Uni Potsdam) fand heraus, dass sich zwar einiges im öffentlichen Bild der Frau wandelt, aber immer noch alte Vorurteile kursieren, die nur besser kaschiert werden. Es sei ein kleiner, aber dennoch wichtiger Kongress gewesen, nicht zuletzt das gute Medienecho rechtfertige die Preisverleihung, erklärte die Jury.

Auf der ganz anderen Seite der Wissenschaften ist der Preis für den Hermann Grassmann Kongress angesiedelt. Dem Mathematiker Grassmann ging es um die reine Mathematik, insbesondere um die Versöhnung von Geometrie und Algebra mit der von ihm konzipierten „Ausdehnungslehre“. Er erforschte einen speziellen Zweig der „Vektorrechnung“ und berechnete diesen in einer Weise, die heute noch für Luft-, Raumfahrt- und Computertechnik richtungsweisend ist. Grassmann unterrichtete als Gymnasiallehrer in Stettin, akademische Anerkennung erfuhren seine mathematischen Konstruktionen erst nach seinem Tod. Der Kongress zum verkannten Provinzgenie Grassmann fand im September 2009 parallel in Potsdam und Stettin statt. Nicht zuletzt die überregionale Verknüpfung fand die Jury preiswürdig.

Nach der Preisverleihung begrüßte der Potsdamer Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) die in diesem Jahr nach Potsdam berufenen Professorinnen und Professoren. Immerhin 35 Wissenschaftler folgten einem Ruf an die Potsdamer Hochschulen. „Sollten auch einige davon nicht für immer in Potsdam bleiben, so sollen sie jedenfalls die Stadt als ihren schönsten Wohnort in Erinnerung behalten“, sagte der Oberbürgermeister.

Richard Rabensaat

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