Potsdamer Wohnblöcke: Pro Potsdam gewinnt Rennen um Schandfleck
Die Städtische Gesellschaft entscheidet das letzte Verfahren auf Rückübertragung für sich. Die Häuser zwischen Behlert- und Gutenbergstraße sind jedoch stark sanierungsbedürftig.
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23 Jahre nach der Wiedervereinigung hat die Pro Potsdam das letzte Verfahren auf Rückübertragung für sich entschieden. Damit gehören auch die um 1930 errichteten Wohnblöcke zwischen Behlert- und Gutenbergstraße sowie die zur gleichen Zeit entstandenen Häuser zwischen Brauhausberg und Albert-Einstein-Straße künftig der städtischen Wohnungsbaugesellschaft. Insgesamt ging es um 264 Wohnungen im Wert von neun Millionen Euro. Auf Rückgabe geklagt hatte der Rechtsnachfolger der 1921 gegründeten Wohnbau GmbH, die nach dem Ersten Weltkrieg deutschlandweit günstige Wohnungen für „Festversoldete der Reichswehr“ bauen sollte. Ausschlaggebend dafür, dass der Forderung der heutigen Wohnbau GmbH aus Bonn nicht stattgegeben wurde, waren zwei fast vergessene Verwaltungsschreiben aus dem Jahr 1948. „Das war die Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen. Wir waren schon verzweifelt“, räumte Bert Nicke, Geschäftsführer der Pro Potsdam, am Mittwoch ein. Drei Wochen lang habe ein Mitarbeiter mithilfe des Rechtsamtes der Stadt in Archiven bundesweit geforscht. Im Kern sei es darum gegangen, nachzuweisen, dass die Wohnbau GmbH bereits unter sowjetischer Besatzung enteignet worden ist, berichtete Nicke. Die Bonner waren bis vor das Bundesverwaltungsgericht gezogen.
Im Vermögensgesetz von 1990, das die Rückübertragungen regelt, sind Enteignungen der Besatzungsmächte ausgenommen. Als Startpunkt der sowjetischen Enteignungen gilt der Befehl „Über die Beschlagnahme und provisorische Übernahme einiger Eigentumskategorien in Deutschland“ von Marschall Georgi Konstantinowitsch Schukow vom 30. Oktober 1945. Rund drei Jahre später, am 31. März 1948, wurde der Befehl wieder aufgehoben. Zwar seien in Potsdam alle Beschlagnahmungen später erfolgt, doch mit den Schreiben, die man im brandenburgischen Landeshauptarchiv habe aufstöbern können, sei es gelungen, nachzuweisen, dass bereits vorher Eigentum der Wohnbau GmbH eingezogen wurde, so Nicke. Die Schreiben vom 9. Februar 1948 und vom 15. März 1948 dokumentieren die Beschlagnahme einer Siedlung für Offiziere der Luftwaffe in Elstal (Havelland). „Laut Bundesverwaltungsgericht kommt es nicht darauf an, dass das gesamte Vermögen der Gesellschaft zu einem bestimmten Datum eingezogen wurde, sondern es reiche schon eine Immobilie“, so Nicke.
Mit dem Ende des Streits soll nun auch der Schandfleck, wie Nicke den Häuserriegel zwischen Behlert- und Gutenbergstraße nennt, verschwinden. „Weil die Vermögensverhältnisse nicht geklärt waren, konnte nicht investiert werden“, so Nicke. Vorbild soll das Verfahren für die Heidesiedlung sein, die bis 2010 ebenfalls mit Restitutionsforderungen belastet war. Wie berichtet musste Pro Potsdam ihre Verkaufspläne nach Widerstand von Mietern und aus der Politik beerdigen. Nun soll die Siedlung mit Landesförderung saniert werden. Die Kosten schätzt Mitgeschäftsführer Jörn-Michael Westphal auf 7,7 Millionen Euro. Rund zwei Millionen müsste die Gesellschaft beisteuern. Um die Ausgaben zu decken, wäre eine Miete von durchschnittlich acht Euro pro Quadratmeter fällig, sagte Westphal. „Derzeit sind es knapp vier Euro.“
Über die Heidesiedlung berät seit Jahresanfang ein Arbeitskreis aus Mietern, Vertretern des Mietervereins, Stadtverordneten und der Pro Potsdam. Der Einigung zufolge, die am Mittwoch im Hauptausschuss der Stadt vorgestellt werden sollte, müssen vor allem Neumieter die Sanierungskosten bezahlen. Während Mieter mit Wohnberechtigungsschein künftig eine Miete von 5,50 Euro pro Quadratmeter zahlen sollen, würde die Miete für Normalverdiener auf 6,60 Euro steigen, so Westphal. Für die 30 leer stehenden Wohnungen würden 8,90 Euro fällig.
Mieter in der Behlert- und Gutenbergstraße können sich wohl auf eine noch höhere Mietsteigerung einstellen. Während am Brauhausberg die Baukosten pro Quadratmeter denen der Heidesiedlung entsprechen dürften, sei der Zustand der Häuser gegenüber der Nuthestraße „eher noch schlechter“, so Westphal.
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