
© M. Matern
Landeshauptstadt: Programmierter Sittenwächter
Die Potsdamer Firma „Pixray“ hat eine Software entwickelt, die anstößige Fotos aus dem Internet fischt
Stand:
Babelsberg - Es gibt Fotos, die sind schön. Es gibt Fotos, die sind nützlich. Und es gibt Fotos, die zum echten Problem werden, falls sie versehentlich veröffentlicht werden. Täglich stellen Internetnutzer unzählige Fotos ins Netz. Nicht immer handelt es sich dabei nur um harmlose Schnappschüsse. Vor allem Betreiber von interaktiven Internetseiten stellt die unkontrollierbare Flut vor eine große Herausforderung. Bis zu 30 Mitarbeiter sitzen deshalb etwa bei großen Dating-Portalen jeden Tag vor den Bildschirmen, um Unbrauchbares oder gar Verbotenes auszusortieren. Nicht nur schlecht für die Augen, sondern auch reine Zeitverschwendung, finden Stefan Bär und Dennis Wetzig von der Potsdamer Software-Firma „Pixray“. Mit ihrem „Pixray-Filter“ haben sie der fast archaisch anmutenden Sichtkontrolle eine Hightech-Lösung entgegengestellt: In Sekundenschnelle analysiert ihr Programm Bildinhalte, erkennt anhand der Datensätze Pornografisches genauso wie Hakenkreuze oder versteckte Werbung.
Entwickelt hat das Programm Stefan Bär. Der Potsdamer Informatiker hat sich dabei die Möglichkeiten der biometrischen Erkennung zunutze gemacht. Er hat seinem Computer beigebracht, was er unter Pornografie zu verstehen hat, was etwa zwei nackte Brüste sind und in welchem Abstand sie zu einem Gesicht zu finden sind, wenn beides einer Person zuzuordnen sein soll. „Das ist der Doppelbrust-Filter“, sagt der 33-Jährige Software-Entwickler mit einem Schmunzeln. Auf die Idee gekommen ist Bär durch seine Masterarbeit am Informatik-Institut der Universität Potsdam. „Die Aufgabe war die Entwicklung einer Suchmaschine zur Identifikation von Personen“, erzählt er. „Ich dachte, es muss doch noch weitere Anwendungen geben.“
Tatsächlich sind die Möglichkeiten nahezu grenzenlos. „Eigentlich kann jedes Kriterium programmiert werden“, versichert Bär. Bereits jetzt erkennt der „Pixray-Filter“ nicht nur nackte Haut, oder Hakenkreuze, sondern auch, ob auf einem Foto zwei Personen zu sehen sind, ob nachträglich Textteile, Logos oder Kontaktnummern hinzugefügt wurden. Gleich mehrere Kriterien auf einmal gleicht das Programm ab. „Pro Bild dauert die Analyse weniger als eine Sekunde“, sagt Dennis Wetzig, zuständig bei „Pixray“ für Vertrieb und Marketing. „Wir haben bereits Angebote für die Kontrolle von bis zu 3,5 Millionen Bilder am Tag geschrieben.“
Gegründet haben Bär und Wetzig ihre Firma 2009, nach einer einjährigen Entwicklungs- und Testphase sind sie im März dieses Jahres in den Vertrieb eingestiegen. Dabei ist der „Pixray-Filter“ keine Software, die sich die Kunden auf ihre Rechner spielen, sondern vielmehr eine Dienstleistung. „Der Kunde schickt uns die Bilder, wir lassen sie über unseren Server laufen und senden sie klassifiziert zurück“, erläutert Wetzig das Geschäftsmodell. Von elf potenziellen Kunden werde der Service derzeit getestet, drei nutzen den „Pixray-Filter“ gegen Geld, darunter das Hotelbewertungsportal Holidaycheck.de. „Dort soll vermieden werden, dass Hotels selbst Fotos auf die Seite stellen und das Portal so für ihre Werbung missbrauchen“, sagt Wetzig.
Mit ihrem bislang zweiten Produkt, dem „Pixray-Seeker“, drehen Wetzig und Bär den Spieß um. Statt nach fremden Fotos sucht das Programm nach Aufnahmen, die urheberrechtlich geschützt sind und von anderen ungefragt veröffentlicht werden. Ansprechen wollen die beiden Geschäftsführer zum Beispiel selbstständige Berufsfotografen oder Fotoagenturen. Ein gängiger Tatort für den Fotoklau seien aber auch Online-Shops, meint Wetzig. Um Produkte im Netz anzupreisen, würden sich Verkäufer häufig bei den Internetseiten der Hersteller bedienen, sich Aufnahmen bestimmter Artikel herunterladen und zu ihrem Angebot stellen.
Derzeit beschäftigen die beiden Unternehmensgründer neun Mitarbeiter. Weitere sollen folgen, doch geeignete Informatiker nach Potsdam zu locken, sei gar nicht so einfach, berichtet Dennis Wetzig. „Im März haben wir eine Stelle für einen Softwareentwickler ausgeschrieben, aber erst eine Bewerbung bekommen“, klagt der Vertriebschef. Viele der geeigneten Fachkräfte der Region lebten nun mal in Berlin und würden von den dortigen Firmen quasi aufgesaugt. Anderen sei der Weg nach Potsdam zu weit, glaubt er.
Allerdings sind sich Bär und Wetzig einig, Potsdam wird als IT-Standort von der Branche unterschätzt. „Hier herrscht eine richtige kreativ Aufbruchsstimmung“, findet Wetzig. Vor allem in der Medienstadt Babelsberg, wo Pixray sich in ein Gründerzentrum eingemietet hat, seien die Bedingungen hervorragend, berichten beide. „Als wir eingezogen sind, stand nach nur 24 Stunden bereits der Internetanschluss“, lobt Wetzig. Auch die Betreuung durch die Wirtschaftsförderung sei „ausgezeichnet“.
Welches Potenzial zudem die Nachbarschaft der Medienstadt bietet, fangen die Pixray-Chefs gerade erst an zu entdecken. Immerhin sitzt der RBB auf dem Gelände, die Studios Babelsberg sind enbenfalls nicht weit. Überall wird mit Bildern gearbeitet, wenn auch mit bewegten. Eine entsprechende Such-Software sei bereits in Arbeit, verrät Stefan Bär.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: