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Landeshauptstadt: „Projekt Niemeyer ist nicht gestorben“

Stadtwerke-Chef Peter Paffhausen will mit Bad-Entwurf an Ausschreibung teilnehmen

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Herr Paffhausen, die Stadtwerke Potsdam sollten als 100-prozentig städtisches Unternehmen Bauherr und Betreiber des Niemeyer-Freizeitbads am Brauhausberg sein. Am vergangenen Freitag hat Wirtschaftsminister Ulrich Junghanns (CDU) mitgeteilt, dass es keine Förderung für das Projekt geben wird. Doch die Stadtwerke haben bereits 3,5 Millionen Euro für das Niemeyer-Bad ausgegeben. Wie geht es jetzt weiter?

Wir überlegen ganz in Ruhe gemeinsam mit dem Oberbürgermeister, welche Varianten wir haben und welche die günstigste wäre. Allerdings bin ich derzeit noch nicht in der Lage zu bewerten, welche Variante die beste sein könnte.

Welche Varianten gibt es?

Die Mindestvoraussetzung ist eine Schwimmhalle für Vereine und Schulen. Eine Variante wäre also eine Grundsanierung der alten Schwimmhalle. Die Stadt Erfurt hat das gemacht, dort steht eine Halle vom gleichen Bautyp. Die wurde mit Freizeitelementen ergänzt, was insgesamt 25 Millionen DM gekostet hat. Heruntergerechnet auf die reine Sanierung der Schwimmhalle liegen die Kosten bei etwa neun Millionen Euro. Nächste Variante wäre, darüber nachzudenken, das Bad zu sanieren und ein neues Dach auf die Halle zu setzen. Dritte Variante ist, die Halle mit Spaßanteilen zu ergänzen – da ist alles möglich von einer Rutsche bis zu einem Freizeitpark mit Sauna. Also ein Projekt wie Niemeyer in klein für relativ kleines Geld. Die Frage bleibt aber: Wer gibt uns für irgendetwas davon Geld – es gibt ja unterschiedliche Fördertöpfe mit unterschiedlichen Bedingungen, die man erfüllen muss. Eine weitere Variante ist eine Ausschreibung. Ausschließlich damit, so schreibt ja der Wirtschaftsminister in seiner Absage, könne eine „wirtschaftliche und sparsame Mittelverwendung“ nachgewiesen werden.

Das heißt, das Projekt Niemeyer ist tatsächlich gestorben?

Nein. Denn der Niemeyer-Entwurf mit dem Kostenrahmen von 30 Millionen Euro wird auf jeden Fall an einer Ausschreibung teilnehmen. Das wäre doch sträflich, wenn dieses Projekt mit fertiger Planung nicht teilnehmen würde. Er wäre sicherlich viel schneller zu realisieren als andere und möglicherweise gegenüber den neuen Entwürfen gar nicht so teuer. Wir als Stadtwerke sind Besitzer der Niemeyer-Unterlagen und würden uns an der Ausschreibung beteiligen.

Sie haben also noch Hoffnung?

Die Hoffnung ist auf keinen Fall weg. Das ist so ein traumhaftes Projekt, und Niemeyer ist der berühmte Architekt des 20. und des Beginns des 21. Jahrhunderts. Für New York soll er die Renovierung des UNO-Gebäudes betreuen. Jeder reißt sich um einen Niemeyer – wir haben einen, aber man will ihn nicht.

Können Sie überhaupt Verständnis aufbringen für die Entscheidung des Wirtschaftsministers?

Ich kenne die Hintergründe nicht. Vielleicht gibt es wirklich Dinge, die so eine schöne Sache kaputt machen müssen. Projektbezogen ist das nicht nachvollziehbar für mich. Wir haben nach bestem Wissen und Gewissen unsere Unterlagen zusammengebracht.

Die Landesinvestitionsbank (ILB) als federführende Behörde hat öffentlich gesagt, sie habe den Förderantrag zum Niemeyer-Projekt nicht mehr prüfen dürfen – dies habe das Wirtschaftsministerium übernommen. Wie beurteilen Sie das bisherige Verfahren?

Für uns steht fest: Das Absage-Schreiben des Wirtschaftsministers hat keine juristische Relevanz. Es ist lediglich eine Information. Die ILB wird uns gegenüber aktiv werden müssen – vielleicht eine Ausschreibung fordern. Dann müssen wir reagieren. Sicherlich wird der Oberbürgermeister in Abstimmung mit den Fraktionen vorher Herrn Junghanns eine Antwort schicken.

Wie beurteilen Sie die Rolle der Parteien in der Stadt beim Projekt Niemeyer?

Wenn die Stadt mit einer Stimme gesprochen hätte, dann würde es ein solches Schreiben des Wirtschaftsministers wohl nicht gegeben haben. Die Politik hätte beispielsweise parteiübergreifend sagen können: Wir in unserer kommunalen Selbstverwaltung entscheiden, dass wir ein Bad nach Entwurf von Niemeyer bauen – dann hätte die Welt ganz anders ausgesehen. Aber das war wohl nicht zu erreichen.

Für das politische Bündnis wäre doch Oberbürgermeister Jann Jakobs zuständig gewesen.

Ich bin der Meinung, dafür wären alle politischen Meinungsbildner verantwortlich gewesen.

3,5 Millionen Euro haben die Stadtwerke für das Niemeyer-Projekt ausgegeben, weil die Stadt dies gewollt hat. Wer zahlt jetzt dafür?

Das wissen wir nicht. Wir werden eine Gesamtrechnung erstellen und aufzeigen, welche Forderungen von Wirtschaftsministerium oder ILB und welche Beschlüsse der Stadtverordneten oder Hauptausschusses die Ausgaben erforderlich gemacht haben und dass sie durch diese Institutionen bestätigt worden sind. Wir werden gegen niemanden offensiv vorgehen, dieses Kostentableau aber in der nächsten Aufsichtsratssitzung vorlegen.

Wer könnte den Stadtwerken das Geld zurückzahlen?

Ich weiß nicht, ob Ministerium und ILB verpflichtet werden können, aufgrund von nicht eingehaltenen Zusagen Kosten zu übernehmen. Dass die Stadt als Auftraggeber die Kosten übernimmt, halte ich ebenso für unwahrscheinlich. Als dritte Möglichkeit, könnten die Stadtverordneten beschließen, dass das ausgegebene Geld bei den Stadtwerken abgeschrieben werden muss.

Können die Stadtwerke diese finanzielle Belastung verkraften?

Wir haben eine sehr gute Gesellschaftsstruktur und eine hohe Eigenkapitalquote, wir könnten das möglicherweise verkraften. Aber das ist absolut nicht unsere Vorstellung und ich glaube kaum, dass die Stadtverordneten das gutheißen würden.

Hätten die Stadtwerke einige Ausgaben nicht verweigern können?

Das habe ich an einer Stelle auch getan, im September 2005: Da haben wir überlegt, ob wir „das Messer im Schwein stecken lassen“ – also den Brauhausberg so zu lassen, wie er jetzt aussieht. Mir liegt jetzt aber auf der Seele, ihn wiederherzustellen. Alles zusammenschieben, Mutterboden darüber, einfache Wege. Denn es ist eine richtig schlimme Brache mitten im Herzen Potsdams. Wir sind aber bisher nicht autorisiert, etwas derartiges zu tun.

Kann die Stadtwerke-Tochter Bäderlandschaft Potsdam GmbH ohne Niemeyer-Bad wirtschaftlich arbeiten?

Die Bäderlandschaft GmbH hat sich verpflichtet, langfristig am Brauhausberg ein Bad zu haben. Darüber haben wir mit der Stadt zwei Verträge unterschrieben: Der eine sah vor, dass wir die Grundstücke bekommen, im Rahmen eines Kaufvertrages ohne Geldfluss. Dies ist geschehen. Der zweite ist ein Betriebsführungsvertrag für die zwei Hallen- und zwei Freizeitbäder Potsdams. Wir haben dafür zu sorgen, dass alles funktioniert, eine reine Dienstleistung. Aber wir hatten uns erhofft, mit einem hochattraktiven Niemeyer-Bad Beträge einzufahren, die eine städtische Förderung reduzieren, wenn möglich überflüssig machen. Wir bekommen derzeit 850 000 Euro pro Jahr für die zwei Hallenbäder, hatten aber vor, den Zuschuss auf Null zu senken. Nicht heute und morgen, aber übermorgen – mit einem Bad, mit dem wir Gewinne machen. Das ist jetzt weg.

Ist es sinnvoll, nur die Schwimmhalle am Brauhausberg zu sanieren?

Das Sinnvollste wäre, den Niemeyer zu bauen. Das wäre das Beste, was wir als Investor tun könnten. Ohne damit hier eine politische Aussage zu verbinden. Allein dass es ein Niemeyer ist, ist Geld wert. Dies hat das Wirtschaftsministerium leider zurückgewiesen, aber es ist so. Die Entscheidung liegt jedoch bei der Stadt und den Stadtverordneten. Wir als Stadtwerke haben im Moment ein Paket an Leistungen und Bezahlung, das steht. Wenn wir jetzt Gewinne machen würden, käme uns das ja nicht zugute, sondern der Stadt. Ich würde es befürworten, die Bürger zu befragen, was sie denn wollen – am besten mittels eines Meinungsforschungsinstitutes, professionell und repräsentativ. Ich bin sicher, es würde ein großes Interesse am Niemeyer-Bad geben.

Was sagt Oscar Niemeyer selbst zur Absage des Wirtschaftsministers?

Er weiß es nicht. Und bevor das Niemeyer-Projekt nicht endgültig tot ist, haben wir auch nicht vor, ihm es offiziell zu sagen. Allerdings hat er selbst schon sehr früh gesagt, dass nur ungefähr die Hälfte der Projekte, die er geplant hat, verwirklicht worden seien – meist aus Kostengründen.

Das Interview führten Sabine Schicketanz und Jan Brunzlow

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