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Landeshauptstadt: Protest – bevor die Kettensäge kommt

Überfüllte Bürgerversammlung zu Plänen für 450 neue Wohnungen „Am Brunnen“ / Anwohner dagegen

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Teltower Vorstadt – Einem Stich ins Wespennest glich die Einladung des SPD-Ortsvereins Süd zu einer Bürgerversammlung über die Neubaupläne für die Siedlung „Am Brunnen“. Der Saal der Gaststätte hinter dem Blauhaus an der Heinrich-Mann-Allee war Donnerstagabend mit erregten und besorgten Anwohnern überfüllt. Deren Befürchtung: Mit den laut Machbarkeitsstudie möglichen 450 neuen Wohnungen werde der Charakter der denkmalgeschützten Siedlung zerstört, eine unsägliche Verkehrssituation geschaffen und wertvoller Wald abgeholzt. Architekt Günter Vandenhertz formuliert seine Ablehnung gegenüber dem städtischen Fachbereich Stadtplanung sogar schriftlich. „Wir müssen uns frühzeitig regen, bevor die Kettensäge kommt“, war zu hören.

Derzeit gibt es im Bereich Kunersdorfer Straße / Am Brunnen 950 Wohnungen. Die Erweiterung um ein Drittel wäre ein erheblicher Eingriff in den Bestand. Der Gestaltungsrat, der über eine stadtverträgliche Bebauung wacht, hat das Vorhaben jedoch mit überschwänglichem Lob bedacht. Eigentümer der bebaubaren Garagen- und Waldflächen südlich des Neuen Friedhofs, jeweils 4,5 Hektar groß, sind das Land und die Potsdamer Wohnungsbaugenossenschaft e.G. (PBG). Laut PBG-Vorstand Roland Zellmann, der jedoch seine Teilnahme an der Bürgerversammlung laut Veranstalter in letzter Minute abgesagt hatte, handele es sich um eine Investition von 80 Millionen Euro. Das könne keine Genossenschaft aufbringen, hieß es auf der Bürgerversammlung. Die Sorge vor einem Semmelhaack-Projekt machte die Runde.

„Die nächsten fünf Jahre wird nichts passieren, denn es gibt keinen Bebauungsplan und niemanden, der da oben anfangen will.“ Diese Bemerkung von Till Meyer, Ortsvereinschef Süd der SPD, konnte die Anwohner nicht beruhigen. Im Gegenteil: Sie brachten gar das Ulbricht-Wort „Niemand hat die Absicht eine Mauer zu errichten“ ins Spiel. Jeder wisse, dass es aus organisatorischen Gründen mindestens fünf Jahre dauere, ehe jemand anfangen könne. Aber dann gehe es los.

Von den Neubauplänen fühlten sich vor allem die Genossenschaftsmitglieder der PBG übergangen. Sie hätten erst aus der Zeitung von den Plänen erfahren. „Das ist eine Sauerei“, hieß es. Doch die Vorwürfe gingen ins Leere, da kein offizieller Vertreter der PBG anwesend war. Der Bereichsleiter Stadtentwicklung des Rathauses, Bernd Kahle, wies Kritik von sich: „Klären Sie das mit Ihrer Genossenschaft!“ Neben der PBG gehört die Gemeinnützige Wohnungsgenossenschaft 1903 zu den Ansprechpartnern.

PBG-Vorstand Zellmann hatte in einem ganzseitigen Beitrag in der PBG-Mitgliederzeitung 3/2011 über die Ergebnisse der Machbarkeitsstudie „Am Brunnen / Kunersdorfer Straße“ informiert. Die vom Planungsbüro Schagemann & Schulte erarbeitete und von der PBG bezahlte Studie behandelt ausführlich die prekäre Stellplatzsituation. Als Variante der Wahl hält diese eine zweigeschossige Tiefgarage unter der Angerfläche am Brunnen für möglich. Das sei eine teure Angelegenheit, räumte Kahle ein. Laut Studie bleibe bei der Neubebauung keine der heutigen Garagen stehen. „Eine Tiefgarage für so viele Autos wird ein Monster“, fürchten die Anwohner. Ein Manko der Machbarkeitsstudie, laut Kahle der erste Schritt auf dem Weg zum Baurecht, besteht darin, dass sie die Eigentumssituation nicht berücksichtigt. Neben genossenschaftlichen Flächen gibt es Eigentümergemeinschaften und sogar Garagen, bei denen der Grund und Boden den Nutzern gehört.

Trotz aller Unwägbarkeiten und Widerstände dürfte die Machbarkeitsstudie nicht in der Schublade landen. Nach dem seit dem Jahre 2000 anhaltenden Einwohnerzuwachs will die Stadt die Voraussetzungen für den Wohnungsbau forcieren. Bis 2020 sollen laut Kahle 4000 bis 7000 neue Wohnungen angeboten werden können. In den kommenden Jahren sind daher für Am Brunnen / Kunersdorfer Straße weitere Schritte zu erwarten: ein Masterplan für die gesamte Siedlung und auf dessen Grundlage der Beschluss der Stadtverordneten zur Aufstellung eines Bebauungsplanes.

Günter Schenke

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