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Landeshauptstadt: Protest gegen Gewalt

Mehr als 400 Teilnehmer bei spontaner Demo

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Innenstadt/Potsdam-West - Rassistische Gewalt kann jeden treffen, der eine andere Hautfarbe hat – auch in Potsdam. Diese Erfahrung hat der Kameruner Jeon Roger machen müssen. Auch er wollte gestern abend bei einer sponaten Protest- Kundgebung in den frühen Abendstunden seine Solidarität mit dem Potsdamer Opfer des Überfalls vom Sonntag zum Ausdruck bringen. Mehr als 400 Teilnehmer kamen gegen 18 Uhr zu der Demonstration, die vom Platz der Einheit über die Charlottenstraße zum Tatort des Überfalls führte – und sich im Anschluss wieder zurück zum Platz der Einheit bewegte.

Jeon Roger war dabei. Der 35-Jährige kennt das Gefühl, wegen der eigenen Hautfarbe bedroht zu werden. Vor drei, vier Jahren, so genau weiß er das nicht mehr, saß er in einer Straßenbahn am Platz der Einheit. „Vier betrunkene Jugendliche wollten mich plötzlich zusammenschlagen“, erinnert er sich. Wegen seiner schwarzen Haut. Doch er – der seit Jahren in Potsdam wohnt – hatte Glück: Der Fahrer der Tram griff ein und warf die jungen Rechten aus der Bahn. Einer von ihnen warf noch eine Bierflasche an das Fenster, hinter dem Jeon Roger saß. Doch er blieb unverletzt. Angezeigt hat er den Fall nicht bei der Polizei. „Es ist ja nichts passiert.“ Doch Angst hat er immer noch ein wenig, wenn er abends unterwegs ist. „Aber man kann ja nicht deswegen zu Hause bleiben“, sagt Jeon Roger. Potsdam an sich hält er nicht für eine rassistische Stadt. „Solche Überfälle passieren doch überall in Deutschland.“

Es sind auch solche Fälle wie die von Jeon Roger, gegen die die Demonstranten von gestern ihren Protest lautstark und zum Teil wütend artikulierten. Eine der markigen Parolen über Megafon: „Wir müssen dem rechten Terror entgegen treten und dürfen uns nichts mehr gefallen lassen.“Antifaschismus dürfe nicht mehr kriminalisiert werden. In einem auf der Demo verteilten Handzettel der Antifaschistischen Aktion wurde auf rund 130 Menschen verwiesen, die seit 1990 in Deutschland von Rechtsextremen getötet worden seien. „Organisiert den antifaschistischen Selbstschutz“, hieß es auf dem Flyer der linken Gruppe.

So befanden sich unter den Teilnehmern des Protestzugs hauptsächlich Jugendliche aus der linksalternativen Szene Potsdams und Berlins, aber auch Migranten und Vertreter der Stadtpolitik. Kurzfristig angemeldet hatte die Demo Lutz Boede, Mitglied des Potsdamer Ausländerbeirates. Die große Zahl der Teilnehmer wurde mit Hilfe der Grünen sowie der Linkspartei.PDS innerhalb weniger Stunden per SMS, Email und Telefon mobilisiert. „Als ich von dem Überfall und der Demo erfahren habe, fühlte ich mich verpflichtet zu kommen“, sagte etwa Peter Schüler von der Grünen-Fraktion der Stadt.

Auch Rechtsextreme scheinen von der Demo angezogen worden zu sein: Während der Demo kam es laut einem Sprecher des Polizeipräsidiums Potsdam zu drei Gewahrsamnahmen – eine davon wegen eines Hitlergrußes.

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