Aus dem GERICHTSSAAL: Prozess um 35 Euro Bußgeld
Busfahrer sieht keine Schuld am Radler-Unfall
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Ein Video könnte die Unschuld des Busfahrers Karsten K.* (24) belegen – wenn die Technik funktionieren würde. Aber der gerichtseigene DVD-Player weigerte sich hartnäckig, den Film aus der Überwachungskamera des Busses abzuspielen. Auf seinem Laptop – so Rechtsanwalt Alexander Dutsch während des gestrigen Bußgeldverfahrens – sei eindeutig zu sehen, dass seinem Mandanten keine Ordnungswidrigkeit vorzuwerfen sei. Doch der Laptop liegt in der Kanzlei.
Es geht um einen Unfall zwischen einer Radlerin und dem Fahrer des Linienbusses 696 zur Mittagszeit des 8. Mai in der August-Bebel-Straße. Busfahrer Karsten K. soll die Frau beim Vorbeifahren aus Unachtsamkeit gestreift haben. Die 53-Jährige stürzte und wurde erheblich verletzt. An ihrem Fahrrad soll ein Sachschaden von 200 Euro entstanden sein.
Karsten K. erhielt einen Bußgeldbescheid über 35 Euro, mit dem er wohl gut bedient gewesen wäre. Der Kraftfahrer legte dagegen Einspruch ein. So kam es am Donnerstag zur mündlichen Verhandlung. Hätte die verletzte Radfahrerin rechtzeitig Antrag wegen fahrlässiger Körperverletzung gestellt, hätte sich der Potsdamer vor dem Strafgericht verantworten müssen. Doch die Frau ließ die Dreimonats-Frist verstreichen.
Am Unfalltag waren der Linienbus und die Radfahrerin in Richtung Griebnitzsee unterwegs. In der August-Bebel-Straße, die beide befuhren, gibt es einen Radweg. Allerdings existiert dort keine Vorschrift, ihn zwingend zu befahren. Karsten K. berichtete, die Frau sei im Haltestellenbereich unvermittelt vom Radweg auf die Straße gewechselt. Hinter dem Bus sei sie ins Schleudern gekommen und gestürzt.
„Ich bin auf der Straße gefahren, nicht auf dem Radweg“, beteuerte Angelika A.* (53) im Zeugenstand. „Auf einmal habe ich den Bus neben mir wahrgenommen und gedacht: Oh Gott, was macht der denn jetzt?“ Nach rechts auszuweichen sei wegen der Bordsteinkante nicht möglich gewesen. „Wer rechnet schon damit, auf gerader Straße von einem Bus umgefahren zu werden?“, fragte die Leiterin einer Kindereinrichtung. Seit jenem Tag sei sie krankgeschrieben, demnächst stehe eine Reha an. „Es gab den Verdacht einer Gehirnblutung. Aber niemand hat gefragt, wie es mir geht“, beklagte sie. Aus Rücksicht auf den Busfahrer habe sie keinen Strafantrag gestellt. „Die Polizei sagte mir, er habe einen Schock. Es gehe ihm nicht gut. Da wollte ich ihm beruflich nicht im Weg stehen.“ Er habe sich durchaus nach ihrem Befinden erkundigt, entgegnete Karsten K. „Die Polizei versicherte mir, die Frau habe nur Schürfwunden davongetragen.“ „Bei der Schwere der Verletzungen wundere ich mich, wieso das so ein Bagatellverfahren geworden ist“, warf Richter Lorenz ein. Um zu einer Entscheidung zu gelangen, müsse unbedingt das Video angeschaut werden. Die Verhandlung wurde auf den 6. November vertagt und der Rechtsanwalt beauftragt, seinen Laptop zum Abspielen der entscheidenden DVD mitzubringen. (*Namen geändert.) Hoga
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