Aus dem GERICHTSSAAL: Prozess um explodiertes Dixi-Klo
Daumenabdrücke sollen Angeklagten überführen
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Die Bauarbeiter, die im vorigen Frühling die Nesselgrundbrücke erneuerten, staunten nicht schlecht: Am Samstag, dem 21. April, stand ihr blau-weißes Dixi-Klo zum Feierabend noch an Ort und Stelle. Am darauffolgenden Montag waren die Trümmer der mobilen Kunststoff-Toilette gut hundert Meter im Wald verstreut. Von allein kann sie kaum explodiert sein, schlussfolgerte der Polier und rief die Polizei. Beamte der Spurensicherung stellten fest, dass die Tür des Häuschens mit dickem Klebeband abgedichtet wurde, bevor es in die Luft flog. Auf vier Klebebandschnipseln fand die Kriminaltechnik später Daumenabdrücke einer linken Hand. Sie gehörten Steven S.* (21), der sich am Donnerstag wegen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion vor dem Jugendschöffengericht verantworten musste.
Der arbeitslose Kraftfahrer outete sich zwar als Besitzer des Klebebandes, mit dem zerlegten Dixi-Klo wollte er aber nichts zu tun haben. Vielmehr lenkte er den Verdacht auf zwei „Bekannte“. Einer habe ihn angerufen und gefragt, ob er zum Quatschen zur Nesselgrundbrücke kommen könne, erzählte der Angeklagte. Er sei mit seiner Lebensgefährtin hingefahren, habe dort mehrere Leute getroffen. Ein anderer habe plötzlich nach Klebeband gefragt. Da er eine Rolle im Auto hatte, habe er ihm das Gewünschte ausgehändigt. „Er hätte genauso gut nach Zigaretten fragen können. Ich habe mir nichts dabei gedacht“, beteuerte der Angeklagte. „Zehn Minuten später gab es einen lauten Knall. Da bin ich mit meiner Partnerin weggefahren.“
Die Namen der „Bekannten“ wollte er nicht nennen. „Ich habe Angst um mein persönliches Wohlergehen“, begründete der bereits wegen Verstoßes gegen das Sprengstoffgesetz Vorbestrafte sein Schweigen. „Da nehme ich lieber eine Verurteilung in Kauf.“
„Auf der Bodenplatte des gut 1000 Euro teuren Toilettenhäuschens wurde ein unbekannter Sprengkörper, vermutlich ein Polenböller, abgelegt. Wie der gezündet wurde, kann nicht gesagt werden“, berichtete Kriminaltechniker Bernd E. (49) im Zeugenstand. Einziger verwertbarer Spurenträger sei das Klebeband, sogenanntes Panzertape, gewesen. Insgesamt 13 Schnipsel davon wurden unter Laborbedingungen bedampft, „um nicht Sichtbares sichtbar zu machen“, erzählte eine Mitarbeiterin des Landeskriminalamtes. So kamen Fingerabdrücke zutage. „Um sie eindeutig einer Person zuordnen zu können, müssen mindestens 12 anatomische Merkmale übereinstimmen“, führte Carla H. (57), Sachverständige für Daktyloskopie, anschließend vor Gericht aus. Im konkreten Fall seien es mehr als 20 Merkmale gewesen. Somit sei Steven S. zweifelsfrei als Spurenverursacher festzustellen.
Bevor ein Urteil gesprochen wird, möchte das Schöffengericht unter Vorsitz von Doris Grützmann die Freundin des Angeklagten und die Jugendgerichtshilfe hören. Der Prozess wird am 5. Dezember fortgesetzt. (*Name geändert.) Hoga
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