Von Peer Straube: Prüfung: Enteignung im Eilverfahren
Im Streit um den einst öffentlichen Uferweg bekommt Jakobs Unterstützung von Links, seine eigene Partei geht auf Distanz
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Babelsberg - So viel ist schon mal klar: Es wird lange dauern. „Kurzfristig“ werde der Uferweg sicher nicht wieder öffentlich zugänglich sein, sagte Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) gestern den PNN. Das Prozedere: Zunächst solle noch in dieser Woche ein Wertgutachten in Auftrag gegeben werden. Auf dessen Basis erhalten die Grundstückseigentümer am Griebnitzsee ein Kaufangebot. Allein das wird Wochen dauern. Wie hoch das Angebot ausfallen wird, sagte Jakobs nicht, aber teuer wird es für die Stadt in jedem Fall. 115 Euro pro Quadratmeter hatte der Bund beim Verkauf verlangt. Da kommen schnell ein paar Millionen Euro zusammen. Das Geld müsse dann aus dem städtischen Haushalt kommen, sagte Jakobs, „notfalls durch Umschichtungen“. Man müsse nicht alles kaufen, möglich sei auch die Einräumung eines Wegerechts durch eine Grundbuchdienstbarkeit.
Werde die Kaufofferte von den Eigentümern ignoriert oder abgelehnt, soll ein Enteignungsantrag beim Land gestellt werden, so Jakobs. Doch da sieht man ein „dickes Fragezeichen“, wie es Innenministeriumssprecherin Dorothee Stacke gestern gegenüber den PNN ausdrückte. Zunächst mal müsse die Stadt alle milderen Möglichkeiten ausschöpfen, also die Einigung am Verhandlungstisch. Das Ministerium ließ keinen Zweifel, dass es für eine erfolgreiche Enteignung nach derzeitigem Stand kaum Chancen gibt. Das Eigentum sei ein „sehr hohes Gut“. „Eine Enteignung geht nicht aus der Hüfte, nur weil der Oberbürgermeister gerade Ärger mit ein paar Anwohnern hat“, dämpfte Stacke das Vorpreschen der Rathausspitze.
Und über deren Vorgehen sind auch Jakobs’ Parteigenossen alles andere als glücklich. Die Potsdamer SPD-Bundestagsabgeordnete Andrea Wicklein sprach gestern von „Fehlern auf beiden Seiten“, die im Uferweg-Streit gemacht worden seien. Verhandlungen über eine Öffnung des Weges müssten nun „auf Augenhöhe“ geführt werden. Eine kaum verhohlene Kritik am Verhandlungsstil des Rathauschefs. Bereits am Wochenende hatte Ministerpräsident und Amtsvorgänger Matthias Platzeck seinen Nachfolger gerüffelt. „Zu spät“ sei verhandelt worden, bereits vor zweieinhalb Jahren hätte man das Gespräch suchen müssen. Auch SPD-Fraktionschef Mike Schubert setzt auf eine Lösung ohne Enteignung. „Das wäre mir deutlich lieber“, sagte er den PNN. Auch eine Aufgabe des geplanten Uferparks kann sich Schubert vorstellen. „Der Uferweg ist mir wichtiger.“ Letztlich müsse man auch akzeptieren, was die Gerichte entschieden hätten.
Jakobs wurmt die Kritik. Fehler könne er nicht erkennen. Nach der Niederlage der Stadt vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg habe er den siegreichen Klägern einen „freundlichen Brief“ geschrieben und sie ins Rathaus gebeten. „Ich weiß nicht, was daran diskriminierend sein soll.“ Die Schuld für die Misere liege in der Vergangenheit. „Natürlich wäre es besser gewesen, den B-Plan schon Anfang der 90er Jahre zu erarbeiten, doch da hatte man wohl andere Sachen im Kopf.“ Vor allem hatte man sich aber sicher gefühlt, ohne ein solches Papier auszukommen. Jahrelang hatten die Kommunen mit Mauergrundstücken in der Hoffnung gegen den Bund prozessiert, das oft wertvolle Land zugesprochen zu bekommen. Vergeblich. Letztlich gewann der Bund die Oberhand und konnte damit beginnen, die Filetgrundstücke am Griebnitzseeufer gewinnbringend an den Mann zu bringen.
Unterstützung für den Enteignungskurs kommt nach Hans-Jürgen Scharfenberg nun von einem weiteren Linken. Der Stadtverordnete Pete Heuer will die Möglichkeiten des Baugesetzbuchs nutzen und nach Paragraph 161 im Eilverfahren enteignen. Die im Gesetz verankerte Möglichkeit einer „vorzeitigen Besitzeinweisung“ ließe es zu, den Uferweg kurzfristig wieder zu öffnen, sagte er gestern den PNN. Vor allem könne man so verhindern, dass die Eigentümer durch weitere Absperrungen „vollendete Tatsachen“ schafften. Grundlage dafür sei der Bebauungsplan. Ob der allerdings wirksam sei und als Anspruchsgrundlage für eine Enteignung ausreiche, müsse bezweifelt werden, sagte Stacke. Wie berichtet, wurde das Papier im letzten Jahr erneut öffentlich ausgelegt. Ohnehin läuft eine Klage mehrerer Eigentümer gegen den 2007 beschlossenen B-Plan.
Dennoch will Jakobs Heuers Vorschlag aufgreifen. Im Zuge der Vorbereitungen des Enteignungsantrags werde das Eilverfahren „parallel“ geprüft. Daran, dass eine Enteignung letztlich scheitert, glaubt der Rathauschef trotz der Warnungen aus dem Innenministerium nicht. „Allenfalls eine Verzögerung“ werde es geben. Eine jahrelange indes. Denn die Eigentümer haben bereits angekündigt, gegen eine Enteignung mit allen Rechtsmitteln vorgehen zu wollen. „Bis zum Abschluss dieser Verfahren“, erklärte Anwalt und Seeanrainer Christoph Partsch, „ wäre eine öffentliche Nutzung des Grundeigentums weiterhin unzulässig.“ Das Absperren am Griebnitzsee geht jedenfalls weiter. Gestern waren weitere Pflanzaktionen zu beobachten.
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