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Landeshauptstadt: Psychologisches Gutachten als Freibrief?

Raumspray für 2,99 Euro gestohlen/Notorischer Langfinger muss für drei Monate in den Strafvollzug

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Raumspray für 2,99 Euro gestohlen/Notorischer Langfinger muss für drei Monate in den Strafvollzug AUS DEM GERICHTSSAAL Von Gabriele Hohenstein „Haben Sie mal einen Stift?“, fragt Andreas B. (34) die Protokollantin. „Ich muss mir das Urteil aufschreiben, damit ich es nicht vergesse.“ Die Mühe hätte er sich sparen können. Schon bald wird ihm der Richterspruch – drei Monate Haft wegen eines gestohlenen Raumsprays für 2,99 Euro – mit der Post zugehen. Kaum ein Dieb wandert wegen derartiger Peanuts ins Gefängnis. Andreas B. ist ein Sonderfall. Ein psychologischer Gutachter attestierte ihm einst Schuldunfähigkeit. Daraufhin wurden 25 laufende Strafverfahren gegen ihn eingestellt. „Auf einmal hieß es schuldfähig“, empört sich der Frührentner. Prompt musste er sich wegen zahlloser Diebstähle, versuchten Betruges, Urkundenfälschung, Hausfriedensbruchs und Computerbetruges vor Justitia verantworten. Der Potsdamer lernte die Justizvollzugsanstalt von innen kennen. Bis zum Jahr 2006 steht er unter Bewährung. Das hinderte ihn nicht, am 28. Oktober 2003 bei „Real“ besagtes Spray ohne Bezahlung in seine Hosentasche zu stecken, vorher das Scanner-Etikett abzupopeln und in der Hundefutter-Abteilung zu deponieren. Ein Detektiv beobachtete Andreas B. bei seinem verdächtigen Tun, stellte ihn zur Rede. „Ich bin spiel- und kaufsüchtig und habe auch schon eine Therapie gemacht. Aber da waren nur Alkohol- und Drogenabhängige. Auf meine Probleme wurde überhaupt nicht eingegangen“, schmollt der rundliche Mann vor Gericht. Auch eine Selbsthilfe-Gruppe, die er aus eigenem Antrieb aufsuchte, sei nicht das Gelbe vom Ei gewesen. „Wieder nur Leute, die über ihre Alkohol-Exzesse faselten.“ „Am Tattag haben Sie weder gespielt noch gekauft, sondern schlicht und ergreifend erneut geklaut“, stellt die Vorsitzende klar. Ein in der Vergangenheit erstelltes Gutachten über die Schuldunfähigkeit des zweifelsfrei unter Problemen leidenden Angeklagten sei kein Freibrief, ungehemmt Straftaten zu begehen.

Gabriele Hohenstein

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