Aus dem GERICHTSSAAL: Radfahrer hat Mitschuld
Anklage ging von Verletzung der Sorgfaltspflicht aus
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Ein Beinbruch war es dann doch nicht, wie in der Anklage aufgelistetet, „nur“ eine heftige Prellung. Blaue Flecken hatte der Radfahrer allerdings auch an anderen Körperteilen, dazu Schrammen, Schnittwunden, eine Gehirnerschütterung. Und die Zähne hatten bei dem Sturz am 26. August etwas abbekommen. An jenem Sommernachmittag kollidierte Clemens C.* (41) auf seinem Rennrad in der Lindenstraße mit dem Citroen von Jana J.* Die 20-Jährige wendete ihr Auto, als es plötzlich krachte. Jetzt sitzt sie wegen fahrlässiger Körperverletzung auf der Anklagebank des Amtsgerichts. Hätte die gebürtige Potsdamerin mehr Sorgfalt bei ihrem Manöver walten lassen, wäre der Unfall laut Staatsanwaltschaft zu vermeiden gewesen.
„Ich habe zweimal in den Rückspiegel geschaut. Der Radfahrer war noch weit weg. Deshalb dachte ich, ich schaffe das problemlos“, erzählt die Auszubildende. Ihren Führerschein besaß Jana J. zum Zeitpunkt des Unfalls bereits drei Jahre. Bislang war nie etwas passiert. Clemens C. hat an den Zusammenstoß „überhaupt keine Erinnerung“ mehr. „Das ist wie eine schwarze Wand, ein völliger Blackout“, berichtet der Hobby-Rennradler. „Ich war auf Spaßtour unterwegs, wollte ein bisschen ins Grüne. Ich denke, ich hatte deutlich weniger als dreißig Stundenkilometer drauf. Genau weiß ich es aber nicht“, räumt er ein. Er sei erst wieder in der Rettungsstelle des Klinikums „Ernst von Bergmann“ zu sich gekommen. „Das Auto war recht langsam, der Mann auf dem Rennrad allerdings ziemlich schnell“, schildert Markus M.* (54) im Zeugenstand. Der Diplom-Ingenieur fuhr hinter Clemens C. „Der Radfahrer trug einen Helm, seinen Kopf hatte er dicht über den Lenker gebeugt. Ich hatte den Eindruck, er sieht das Auto überhaupt nicht.“ Plötzlich sei er gegen den Kofferraum des Citroen geprallt, durch die Luft geflogen, dann bewusstlos auf der Straße liegen geblieben. „Ich kümmerte mich um ihn und rief den Krankenwagen“, so der Zeuge. „Als er wieder zu sich kam, wollte er immerzu aufstehen. Er schien ziemlich verwirrt und hatte wohl einen Schock. Trotzdem hat er seine Frau angerufen und sie von dem Unfall unterrichtet.“ Clemens C. weiß davon nichts mehr, kann sich auch an das Gesicht des hilfreichen Zeugen nicht entsinnen.
Nach Abschluss der Beweisaufnahme befinden Staatsanwaltschaft und Gericht: Der Radfahrer trage eine gehörige Portion Mitschuld an dem Unfall. „Man kann von Glück reden, dass ihm nicht noch Schlimmeres passiert ist“, konstatiert die Vorsitzende. Auch die Angeklagte hätte besser aufpassen müssen. Verurteilt werden solle sie dennoch nicht. Sobald Jana J 100 Euro Geldbuße an die Staatskasse gezahlt hat, wird die Akte zugeklappt. (*Namen geändert.) Hoga
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