Aus dem GERICHTSSAAL: Randale verschlafen?
Gericht ging schließlich von Beleidigung aus
Stand:
Zu Prozessbeginn redet sich Tino T.* (32) auf einen waschechten Filmriss heraus. Als Amtsrichter Stephan Heinrichs dem Studenten zu verstehen gibt, es wäre günstiger für ihn, sich doch zu erinnern, fallen ihm wundersamerweise wieder einige Details der letzten Silvesternacht ein. „Ich war auf einer Dachboden-Party in der Charlottenstraße. Dort bin ich bald eingeschlafen, weil ich sehr viel getrunken hatte“, so der wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen Angeklagte. Irgendwann habe ihn ein Kumpel geweckt, weil Polizisten das Haus räumten. Den Anlass der Aktion habe er nicht mitgekriegt, sich sein Fahrrad geschnappt, um dem Tumult auf der Straße zu entkommen. Da sei er von Uniformierten angehalten worden.
Zur Erinnerung: In der Silvesternacht randalierten mehrere hundert junge Leute in der Charlottenstraße, errichteten Barrikaden, zündeten Müllcontainer an. Ein Streifenwagen der Polizei wurde vor dem Café „Olga“ – das allerdings an diesem Abend geschlossen hatte – mit Feuerwerkskörpern, Bierflaschen und anderen Gegenständen beworfen. Rund 100 Beamte waren im Einsatz, um die Straße zu räumen sowie die Personalien der Randalierer, von denen ein Großteil der linken Szene zugeordnet wurde, aufzunehmen.
Auch Tino T. sollte seinen Ausweis zeigen. Den hatte er allerdings zu Hause gelassen. „Ich habe mit den Polizisten herumdiskutiert. Ich habe auch gesagt, wir sind doch hier nicht im Dritten Reich. Aber ich habe keineswegs – wie angeklagt – Heil Hitler gerufen“, beteuert der Studiosus des Bauingenieurwesens. „So etwas würde nie über meine Lippen kommen, auch wenn ich noch so betrunken bin.“
Gut getankt hatte Tino T. allemal. Die ihm wenig später entnommene Blutprobe wies 2,1 Promille aus. „Also sind Ihre Äußerungen als überzogene Kritik an den Polizeibeamten zu werten und dokumentieren nicht Ihre Meinung?“, vergewissert sich der Vorsitzende. Der Angeklagte – von seinem Äußeren her mutmaßlich dem linken Spektrum zuzuordnen – nickt. Richter Heinrichs will dennoch einen der geladenen Polizeizeugen hören. „Der Angeklagte sollte nur seinen Ausweis vorweisen. Statt dessen sagte er Heil Hitler“, stützt Tony M. (26) die Anklageschrift. „Ich war ja selbst überrascht über diese Äußerung.“
„Wie wäre es mit einer Entschuldigung? Die Polizisten schützen im Zweifel auch Sie“, wendet sich der Vorsitzende an Tino T. „War Scheiße“, erklärt dieser. Dann wird er - entgegen dem ursprünglichen Vorwurf – „nur“ wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe von 25 Tagessätzen zu je 15 Euro (375 Euro) verurteilt. (*Name geändert.) Hoga
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