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Landeshauptstadt: Rasen rollende Helfer

Soziales Engagement als Firmen-Event: Für den Oberlin-Hort in Eiche bauten Drucker-Händler einen Bolzplatz

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Eiche - Kaum hat er sich die Erde aus den Ohren gepult, landet der nächste Klumpen in seinem Mund. Ralf Steinbacher lächelt trotzdem. Etwas gequält vielleicht, aber das kann auch daran liegen, dass er die Zähne stark zusammenpresst. Es soll nicht noch mehr Sand in seinen Mund fliegen. Ralf Steinbacher verkauft in seinem normalen Leben Drucker bei der Firma Kyocera im nordrhein-westfälischen Meerbusch. Aber heute ist nichts normal. Heute steht er im Garten des Oberlin-Horts in Eiche zehn Kindern gegenüber, die ihn kreischend mit Sand beschmeißen. Das macht Spaß! Zumindest den Kindern und Steinbachers Kollegen. Die sind herbeigerannt und halten ihre Digitalkameras auf das verschmutzte Gesicht ihres Vertriebsleiters.

Selbst für eine Tagungsreise ist das hier nicht normal. Gut, die 14 Kyocera-Mitarbeiter haben wie immer vor den wichtigsten 32 Kunden Referate gehalten über ihre aktuellen Produkte und neue Verkaufsstrategien. Aber eigentlich hatten alle erwartet, dass sie nach den Vorträgen mit einem Dampfer die Havel und die Seen abfahren. Aber dann hat ihr Chef ihnen am Vorabend mitgeteilt, dass sie sich gemeinsam sozial engagieren werden. Einen Bolzplatz für einen Potsdamer Hort bauen, hieß die Aufgabe. Alle seien begeistert gewesen, sagt Steinbacher. Sie hätten sich auf die Augen der Kinder gefreut.

„Die Tagungsteilnehmer haben alle das Strahlen angefangen“, bestätigt Mireya Kamp. Die Frau im Safari-Look mit Basecap gehört zur Münchner Agentur „Business and Nature“. Sie hat die Aktion organisiert. „Unsere Kunden sagen uns, was sie ungefähr wollen und wir gucken, welches Projekt passt“, erklärt sie. Die Chefs von Kyocera wollten das, was alle von Kaups Kunden aus der Wirtschaft wollen – zwei Dinge: dass ihre Mitarbeiter mit den Händen anpacken, ein gemeinsames Erlebnis haben, das zusammenschweißt. Und sie wollten etwas Gutes tun. Ein weiterer Vorteil: Wenn irgendjemand etwas Gutes tut, berichtet meist auch die Presse darüber. Tagungen und Betriebsausflüge für soziale Projekte zu nutzen, sei bei den Unternehmen im Trend.

1999, als die Agentur sich gründete, habe kaum jemand danach gefragt. Mittlerweile veranstaltet „Business and Nature“ 50 solcher Hilfs-Events im Jahr, sagt Kaup. Myrea Kaup hat also Vereine, Schulen und Kindertagesstätten in Potsdam angerufen, wo die Kyocera-Tagung dieses Jahr stattfinden sollte. Und irgendwann hatte sie Wiebke Zielinski vom Oberlinhaus am Apparat. Zielinski leitet die Unternehmenskommunikation der diakonischen Einrichtung. Auf die Frage, ob das Oberlinhaus Hilfe gebrauchen könnte, hatte sie auch schnell eine Antwort. Die 70 Kinder in dem Hort in Eiche wünschten sich einen Bolzplatz. „Wir haben das ganze natürlich geprüft“, sagt Zielinski. Aber die Idee habe sie gut gefunden: ein Druckerunternehmen, das 10 000 Euro für einen kleinen Fußballplatz spendet und dann auch noch selbst aufbaut.

15 Schubkarren, 25 Schaufeln, 40 Tonnen Erde und 200 Quadratmeter Rollrasen haben die Kaufleute benötigt und zusammen 160 Stunden Arbeit. „Insgesamt haben wir aber mehr als 300 Arbeitsstunden benötigt“, rechnet Bauleiter Christoph Hartmann vor, der die Aktion als Experte begleitet. Die Mitarbeiter seines Gartenbau-Betriebes mussten nämlich die beiden Tore und die Ballauffangwand für die Hilfe-Aktion erst einmal vorbauen, die Einzelteile beschriften und dann wieder auseinander schrauben. „Sonst wär das hier ein Chaos geworden, niemand hätte gewusst, was er wohin montieren soll.“ So aber war alles nach fünf Stunden fertig, der Rasen verlegt, die Tore aufgestellt. Überall zufriedene Gesichter. Lediglich die übrig gebliebene Erde musste noch verteilt werden. Und das, worauf Steinbacher sich gefreut hatte, traf ein. Die Augen der Kinder leuchteten. Auch wegen des Fußballplatzes, vor allem aber wegen der Möglichkeit, den Kyocera-Mitarbeiter mit Erde zu beschmeißen. Nur eins war noch besser: in den Schubkarren von den schwitzenden Helfern herumgefahren zu werden.

Juliane Wedemeyer

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