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Landeshauptstadt: Raus aus der Ecke

Ilka Bischoff erzählt Schülern über ihr Leben im Rollstuhl

Stand:

Ilka Bischoff erzählt Schülern über ihr Leben im Rollstuhl Plötzlich hält es sie nicht mehr auf ihrem Platz. Carola (Name geändert) springt auf und es ist ihr egal, ob die anderen in ihrer Klasse gleich kichern werden. „Ich will endlich etwas machen, was andere beeindruckend finden, wo alle hinschauen“, ruft sie. Carola ist 13 Jahre alt, hat Diabetes und eine leichte Gehbehinderung. Manche Dinge könne sie darum nicht so gut oder schnell wie andere, erzählt sie. Fahrrad fahren zum Beispiel, weil sie Probleme mit dem Gleichgewicht hat. In der Grundschule stand sie oft alleine irgendwo in einer Ecke. „Manchmal kam ich mir vor, als ob ich immer nur mit einer Wand spreche.“ In Zukunft soll das anders werden. Seit diesem Schuljahr geht Carola in die siebte Klasse an der Friedrich-Wilhelm-von-Steuben-Gesamtschule im Kirchsteigfeld. Dort lernen behinderte und nicht behinderte Kinder gemeinsam – Integrationsunterricht ist an dieser Schule seit langem Normalität. Eine besondere Herausforderung sehen Ines Möller und Katrin Siemens trotzdem darin, die neuen Klassenlehrerinnen von Carola. Gerade die ersten Wochen seien entscheidend. „Die Schüler sind alle neu in der Klasse, da muss man darauf achten, dass eine Gemeinschaft entsteht, niemand ausgegrenzt wird“, sagt Ines Möller. Auch deshalb haben sie Ilka Bischoff vom Projekt „Toleranz durch Dialog“ eingeladen. Die Potsdamerin ist seit Geburt querschnittsgelähmt, und oft hat sie die Erfahrung gemacht, dass Menschen nicht wissen, wie sie mit Behinderten umgehen sollen. Das zu ändern, ist eines der Ziele des Projektes der Arbeitsgemeinschaft Spina bifida und Hydrocephalus, einem Elternverband querschnittsgelähmter Kinder. Zehn Referenten fahren regelmäßig zu Schulen im Land Brandenburg und erzählen aus ihrem Leben. So wie Ilka Bischoff an der Steuben-Gesamtschule. Sie berichtet, wie sie sich als Kind schuldig gefühlt hat wegen ihrer Behinderung. Dass sie lange gebraucht hat, sich so zu akzeptieren, wie sie ist und wie sie aus ihrem Handicap eine Berufung gemacht hat. Fußgängern – wie sie Menschen ohne Rollstuhl nennt – will sie im Umgang mit Behinderten ein positives Gefühl vermitteln. „Manche hatten noch nie Kontakt zu einem Rollstuhlfahrer. Plötzlich merken sie, es tut gar nicht weh.“ Aber auch Jugendliche, die selbst eine Behinderung haben, will sie erreichen. Viele hätten große Selbstwertprobleme, trauen sich nichts zu und ziehen sich zurück. „Sie müssen lernen, sich selbst anzunehmen." An der Steuben-Gesamtschule trifft Ilka Bischoff damit ins Schwarze. „Solche Erfahrungen wie Carola machen viele. Wenn Kinder offen darüber sprechen, ist das ein erster Erfolg", sagt sie. Genau deshalb sei sie unterwegs und sie freut sich, dass das Projekt auch von außen unterstützt wird. So wie von der Mittelbrandenburgischen Sparkasse, die den Verein mit einer Spende gefördert hat. „Das Miteinander von Behinderten und Nichtbehinderten muss noch stärker zur Normalität werden. Jeder Schritt, der Ausgrenzung verhindert, geht in die richtige Richtung“, sagt Olaf Rissmann, Regionaldirektor der MBS in Babelsberg. Fünfzig Schulen haben Ilka Bischoff und das Projektteam bereits besucht. Die ganze Welt könne sie damit nicht verändern, sagt sie. Vorurteile würden eben nur sehr langsam abgebaut. „Aber oft bekommen wir das Gefühl, etwas angestoßen zu haben.“ Carola zum Beispiel habe eine wichtige Erfahrung machen können. Sie ist aufgestanden, alle haben ihr zugehört und niemand hat gelacht. So ein Augenblick könne einiges verändern, meint Ilka Bischoff. Ihrem Ziel ist Carola jedenfalls einen Schritt näher gekommen. In der Pause stand sie nicht mehr alleine in der Ecke. bb

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