
© Andreas Klaer
Landeshauptstadt: Raus nur mit den Füßen nach vorn
Der Potsdamer Michael Dalchow, der in einer Notlage mehr als zwei Jahre lang im Wohnmobil lebte, hat jetzt eine Wohnung
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Bornstedt/Babelsberg - Es kam nicht zu früh Bewegung in die Sache. Am Morgen zeigte das Thermometer in seinem Wohnwagen acht Grad. Der Winter naht, doch Michael Dalchow sieht es gelassen. Die letzte Nacht in seinem Fiat Liberty liegt hinter ihm, die letzte nach mehreren hundert Nächten, die der 59-Jährige in dem Camper zubrachte. Vor zweieinhalb Jahren dachte er, eine Wohnung in Potsdam werde er bald finden. Er sollte sich irren. Dann dachte er, einen Winter werde er in dem Wohnwagen schon überstehen, doch aus einem Winter wurden zwei. Ende August, als die länger werdenden Nächte die Angst vor einem dritten Winter schürten, berichtete diese Zeitung über die vergebliche Wohnungssuche Michael Dalchows. Von da an ging alles ganz schnell.
„Ich bleibe noch“, sagte er den Leuten vom städtischen Wohnungsunternehmen Gewoba nach der Übergabe der Wohnungsschlüssel und des Mietvertrages. Als sie gegangen waren, feierte er mit der kleinen Flasche Bier, die er eigens dafür mitgebracht hatte, die Inbesitznahme der eigenen vier Wände. Zwei Zimmer, erste Etage, Bad mit Wanne, Gasetagenheizung, kein Balkon, dafür ein schöner Garten hinterm Haus, ruhige Gegend, Gartenstraße in Babelsberg – Dalchow ist glücklich, nach vielen Umzügen in seinem Leben will er endlich sesshaft werden. „Hier gehe ich nur noch raus mit den Füßen nach vorn.“
Zwei Plastikstühle sind die ersten Möbel in seinem neuen Zuhause. Er transportierte sie auf dem Gepäckträger seines Fahrrads von Bornstedt nach Babelsberg. Seit einigen Wochen steht sein Wohnmobil auf einem Parkplatz an der Kirschallee. Zuvor hatte er es lange Zeit in einem nahen Wohngebiet abgestellt. Dann schwärzten ihn Anwohner beim Ordnungsamt an und er musste umparken.
Wie ein König sitzt Michael Dalchow jetzt auf einem der Plastikstühle in der geräumigen Küche seiner noch leeren Wohnung; eine Kaffeetasse in der Hand berichtet er von seinen Plänen: „Nun geht es voran.“ Unmöbliert wird die Wohnung nicht bleiben, den Dalchow besitzt eine komplette Wohnungseinrichtung inklusive Sofa. Allerdings befindet sich die noch in Alzey (Rheinland-Pfalz), wo Dalchow ein Jahrzehnt lang eine feste, gut bezahlte Arbeit hatte. Noch heute trägt er ein Basecap seines alten Arbeitgebers mit dem Aufdruck „Lufthansa Technik Aero Alzey“. Den Transport der Möbel finanziert das Jobcenter. Dalchow musste Kostenangebote von drei Transportfirmen vorlegen. „Die werden die Billigste nehmen, aber das soll mir egal sein.“ In der Zeit ohne Wohnung schwebte ein Damoklesschwert über ihm. Wie lange würde seine ehemalige Vermieterin in Alzey die Möbel für ihn aufbewahren? Ohne Wohnung hatte Dalchow keine Aussicht, seine Möbel in seine Geburtsstadt Potsdam zu holen. Wo hätte er sie auch lassen sollen?
Nach dem Zeitungsbericht über seine prekäre Situation bekam Dalchow eine Sozialarbeiterin zur Seite gestellt. „Die hat ganz schön Welle gemacht“, sagt der bärtige Mann voller Bewunderung. Die Frau von der Creative Sozialarbeit gGmbH sprach nicht nur mit der Alzeyer Vermieterin, sondern half auch, die Unterlagen zusammenzutragen, die für die Wohnung in Babelsberg nötig waren – Wohnberechtigungsschein, Hartz-IV-Bestätigung, Kostenübernahme-Schein vom Jobcenter „Man muss mich nicht an die Hand nehmen“, sagt Dalchow, „ich bin ja nicht auf den Kopf gefallen“. Aber dass die Sozialarbeiterin sofort wusste, welche Stempel er sich wo abholen muss, fand er schon gut. Die Hilfe war freiwillig, Dalchow betont, dass er jederzeit zu der Sozialarbeiterin sagen kann, „das war es mit uns“. In den nächsten Tagen will Dalchow einen Strauß Rosen kaufen. Jede Frau – im Jobcenter, im Wohnungsamt – die mithalf, ihn aus der Wohnungslosigkeit zu befreien, wird eine Rose erhalten. „Ein Dankeschön muss man übrig haben.“
Die eigene Wohnung bietet nun die Möglichkeit, auf Arbeitssuche zu gehen, schließlich ist er handwerklich geschickt. In der Wohnwagenzeit war das nicht möglich, „schon von der Körperhygiene her“. Jetzt kann Dalchow wann immer er will „in die Wanne hopsen oder duschen, das ist doch gleich ein ganz anderes Leben“. Seinen Fiat Liberty will er „aufpolieren und verkaufen“. Dalchow: „Der Wohnwagen hat seine Schuldigkeit getan. Für mich jedenfalls.“
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