Von Anja Laabs: Recht auf Spiel
Kinder haben ein Recht auf Freiräume. Hilfreich dafür kann die Spielleitplanung in Kommunen sein
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Die vierjährige Anouk freut sich auf den Ausflug zum Babelsberger „Pferdespielplatz“. „Der ist toll. Hinter dem Hügel kann ich mich verstecken.“ Eifrig nickt die junge Mutter und fügt hinzu: „Der Spielplatz ist nicht gepflegt, ganz verwildert und es gibt alte Bäume. Die Kinder können dort selbstbestimmt spielen, herumtoben und sich einfach mal zurückziehen.“
Ginge es nach dem Willen des Bündnisses „Recht auf Spiel“, sollten Kinder nicht nur auf Spielplätzen, sondern in ganzen Stadtteilen diese Möglichkeit des Rückzugs und freien Spiels haben. „Deshalb wollen wir auch in Potsdam für den Spielleitplan werben“, so Peter Apel, Mitglied im Bündnis „Recht auf Spiel“. Dieses Bündnis wurde als eine Initiative des Deutschen Kinderhilfswerks 2008 gegründet. „Damit Kinder sich ihr Umfeld spielerisch erschließen können, müssen Freiräume in der Stadt erhalten und neu geschaffen werden“, fasst Apel die Grundidee der Spielleitplanung zusammen. Grünanlagen, Hauseingänge, Baulücken und Straßen „sollen wieder zu Abenteuerplätzen werden“.
Auf einer Fachtagung tauschten sich jüngst Pädagogen, Vertreter von Verwaltungen, Interessierte und Bündnispartner im Roten Rathaus in Berlin aus. Mit Vorträgen und Plakaten stellten sich Modellkommunen vor. Seit drei Jahren begleitet das Deutsche Kinderhilfswerk bundesweit zwölf Projekte, unter anderem auch in Berlin-Pankow. In ihrem Vortrag erläuterte die Leiterin der Abteilung Jugend und Immobilien Berlin-Pankow, Christine Keil, warum und wie in dem bevölkerungsreichsten Berliner Stadtteil der Spielleitplan umgesetzt wurde. „Hier leben die meisten Kinder und Jugendlichen. Sie wurden als Experten in eigener Sache für das Projekt befragt.“ Bis Dezember 2009 hat der Bezirk die Spielleitplanung durchgeführt. Im Abschlussbericht des Projekts heißt es dazu: „Heute geht der Trend zu Indoorspielplätzen, die die Kinder und Eltern zwar vor Wind und Wetter schützen, wo alle Spielgeräte vom TÜV geprüft und so konzipiert sind, dass sich die Kinder nicht weh tun. Doch die Geräte sind in ihrer Funktion vordefiniert und lassen sich weder gestalten noch verändern.“
Das genau ist es jedoch, was sich die Spielleitplaner auf die Fahnen geschrieben haben. Peter Apel: „Die Wildnis hat einen Wert und muss erhalten und zurückgewonnen werden. Sie ist der beste Spiel- und Erfahrungsraum für Kinder und Jugendliche.“ In Quartieren, in denen das nur beschränkt möglich ist, könnten alternative Landschaftsgestaltungen dazu beitragen, sie zu lebenswerten Räumen zu machen. Hilfreich ist dabei die Verknüpfung von Beschäftigungsmaßnahmen mit der Aufwertung des Quartiers. Nach den Vorstellungen Apels erübrigen sich dann „diskriminierende Beschreibungen“ wie „soziale Brennpunkte“. Der Trick dabei: „Quartiere sollen eigenverantwortlich umgestaltet und erhalten werden.“ Dieser Ansicht ist auch Holger Hofmann, stellvertretender Geschäftsführer des Deutschen Kinderhilfswerks. „Kinder müssen mitbestimmen können, damit sie ihr Umfeld nach ihren Bedürfnissen auch mitgestalten können.“ Dafür ist es nötig, herauszubekommen, was die Bedürfnisse sind. „Deshalb arbeiten wir mit unterschiedlichen Institutionen in den Kommunen zusammen.“
Viele Teilnehmer der Fachtagung monierten die unüberschaubare Zahl kommunaler Zuständigkeiten und deren mangelhafte Vernetzung. Auch die Art der Mitbestimmung Minderjähriger nannten sie häufig als Problem. „Beteiligungsrechte von Kindern werden gern zur Aufwertung individueller und politischer Interessen missbraucht“, ärgert sich Georg Coenen von der Berliner Beratungsstelle für ökologische und kindgerechte Schulhofgestaltung.
In Potsdam sind etwa ein Viertel der Bevölkerung jünger als 18 Jahre. „Ein Spielleitplan für ein Quartier sollte am Ende die Kommune befähigen, das Projekt fortzuführen und weiterzuentwickeln – erst recht in einer solchen kinderreichen Stadt“, meint Apel. Spielräume böten wichtige Risiko- und Grenzerfahrungen. Auf der Internetseite des Bündnisses „Recht auf Spiel“ heißt es: „Gibt man Kindern eine Hütte, dann machen sie daraus Kleinholz. Gibt man ihnen Kleinholz, dann bauen sie daraus eine Hütte.“
Anja Laabs
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