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Aus dem GERICHTSSAAL: Renitenter Schwarzfahrer Gericht: Widerstandshandlung im unteren Bereich

Lennart L.* (20) sieht aus wie ein Mädchen.

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Lennart L.* (20) sieht aus wie ein Mädchen. Er ist zierlich, hat schulterlange blonde Haare. Kaum zu glauben, dass der Fluggerätemechaniker-Lehrling am 22. März vorigen Jahres derart ausflippte, dass er nur mit Handfesseln zur Räson gebracht werden konnte. Mit gesenktem Blick lauscht er der Anklage. Sie wirft Lennart L. Schwarzfahren und Widerstand gegen Polizeibeamte vor. Ohne Fahrkarte, auf der Flucht vor der Kontrolleurin im Regionalexpress soll er sich geweigert haben, den zu Hilfe gerufenen Polizeibeamten seine Personalien zu nennen, sie gar körperlich attackiert haben. Das wurmte die Ordnungshüter, sie erstatteten Anzeige gegen den Renitenten.

„Ich war auf einer Party in Berlin und wollte nach Hause. Geld hatte ich nicht mehr, da bin ich einfach so in den Zug eingestiegen“, bekennt Lennart L. freimütig. Er gibt auch zu, vor der Kontrolleurin getürmt zu sein. „Auf dem Bahnsteig in Potsdam warteten die Polizisten schon auf mich. Sie haben mich zu Boden gedrückt und mir die Hände auf dem Rücken gefesselt. Dann haben sie mich auf die Wache gebracht“, empört sich der Angeklagte. In der Zelle habe er ewig lange warten, sich dann ausziehen und alle Sachen, die er dabei hatte, abgeben müssen. „Die haben mir Blut abgenommen und meine Fingerabdrücke gesichert. Ich kam mir vor wie ein Schwerverbrecher.“

„Normalerweise nimmt die Polizei niemanden wegen Leistungserschleichung fest und fährt das volle Programm“, pariert die Staatsanwältin. „Hätten Sie sich kooperativ gezeigt, wäre das alles nicht passiert.“ „Die Reaktion der Beamten war etwas heftig“, beschwert sich Lennart L. „Ich war hundemüde und habe erst mal gefragt, was die von mir wollen. Ich hätte ihnen ja meinen Ausweis gezeigt. Aber dazu ist es gar nicht mehr gekommen. Ich lag schon nach einer Minute am Boden. Da habe ich mich dann aus Reflex gewehrt.“

„Der Angeklagte wollte sich der Kontrolle durch Flucht entziehen. Deshalb haben wir ihn mit Zwang fixiert und mitgenommen“, berichtet Walter T. (45) im schönsten Polizeideutsch. Dann räumt er ein: „Er hat zwar nicht gezielt nach uns geschlagen und getreten, aber er hat sich weggedreht und weggeduckt.“ Sein Kollege Tobias L. (42) ergänzt: „Der junge Mann hatte gerötete Augen. Es lag der Verdacht nahe, dass er die Nacht durchgefeiert hat. Deswegen wurde eine Blutprobe (Ergebnis: 1,01 Promille) angeordnet. Auf der Dienststelle konnte seine Identität festgestellt werden.“

„Die Widerstandshandlung lag im unteren Rahmen“, konstatiert die Vertreterin der Anklage. Das sieht das Jugendgericht ebenso. Lennart L. muss 35 Stunden gemeinnützig arbeiten. „Klappt das nicht, kann bis zu vier Wochen Beugearrest verhängt werden“, warnt die Vorsitzende. (*Name geändert.) Hoga

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