Landeshauptstadt: Reserviert für Absolventen
Oberlinschule lud „Ehemalige“ ein / Zehn Jahre Zehnklassen-Abschluss
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In den ersten Reihen der Oberlinkirche verkündeten gestern Hinweisschilder: „Reserviert für Absolventen“. Um zehn Uhr waren die Bankreihen eng besetzt mit ehemaligen Schülerinnen und Schülern ab dem Jahrgang 1997. Ab diesem Jahr gibt es in der Oberlinschule, einer „Förderschule für Körperbehinderte“ den Schulabschluss nach der zehnten Klasse. Das war Anlass für ein Absolvententreffen.
Die Begrüßung zwischen ehemaligen und aktiven Lehrern mit ihren früheren Schülern war entsprechend herzlich, die Wiedersehensfreude zwischen sich erkennenden Klassenkameraden sichtlich überschwänglich. Wie Schulleiter Dr. Uwe Plenzke berichtet, sei das Treffen seit vielen Wochen vorbereitet worden. Sein Sekretariat hatte sich viel Mühe mit der Adressensuche gegeben, trotzdem konnten nicht alle ausfindig gemacht werden. Rund fünfzig Absolventen waren am Ende zum Treffen gekommen und konnten in Augenschein nehmen, wie sich ihre Schule in den letzten zehn Jahren einschließlich eines Neubaus verändert hat.
Sieben Abschlusszeugnisse der zehnten Klasse wurden vor zehn Jahren feierlich in der Kirche überreicht. Die Schülerzahl betrug damals 185, heute sind es laut Plenzke 223, davon 56 in der Sekundarstufe der 5. bis 10. Klasse. „Die Zahl der Plätze reicht für den Bedarf nicht ganz aus“, sagt der Schulleiter. Im letzten Jahrgang mussten zehn Bewerber abgewiesen werden. Den Antrag zur Aufnahme in die Förderschule stellen in der Regel die Eltern. Ein Votum des Schulamtes ist jedoch für die Entscheidung erforderlich.
Das Zehn-Klassen-Jubiläum nahm die Schule zum Anlass, ihre Chronik einzuweihen. „Das ist ein Kunstwerk“, sagt Berit Kellner. Die Kunsterzieherin hat das Werk, das Jahr für Jahr vervollkommnet wird, gemeinsam mit dem jüngsten Zehn-Klassen-Jahrgang und einer Projektgruppe des Leibniz-Gymnasiums geschaffen. Deren Lehrerin Cornelia Grasnick sagt zum Anlass der Zusammenarbeit: Es wird immer viel von Integration von behinderten und nicht-behinderten Menschen gesprochen; wir wollten ein praktisches Beispiel geben. „Jeden einzelnen von Euch haben wir in Erinnerung“, versicherte Kellner den anwesenden Absolventen. Jeder Name sei in der Chronik verzeichnet, auch die der Verstorbenen.
Gemeinsamkeit und Gemeinschaft werden offensichtlich groß geschrieben an der Oberlinschule. Zur Feier des Tages griff Schulleiter Plenzke selbst zur Gitarre und forderte zum Mitsingen auf: „Wenn du singst, sing nicht allein – steck“ andere an.“ Und: „Zieh den Kreis nicht zu klein...“ Im praktischen Leben ist das Finden der Gemeinschaft, sei es im Beruf oder in anderen Bereichen, für einen schwer oder gar extrem körperlich behinderten Menschen oft alles andere als unproblematisch. In einer Interview-Runde beim Absolvententreffen berichteten „Ehemalige“, wo sie einen beruflichen Platz gefunden haben: in einem Büro, in einer Behindertenwerkstatt oder auch in den eigenen vier Wänden beim Internet. Doch viele saßen außerhalb der Runde und sind, mit dem Abschluss der zehnten Klasse in der Tasche, immer noch auf der Suche.
Günter Schenke
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