Sport: Respektperson
Potsdams Judoka Yvonne Bönisch will in Athen aufs Medaillentreppchen
Stand:
Potsdams Judoka Yvonne Bönisch will in Athen aufs Medaillentreppchen Von Michael Meyer Respekt kann man sich erarbeiten, und Yvonne Bönisch ist eine Respektperson. Die Potsdamerin wird zwar Ende dieses Jahres erst 24, hat aber auf der Tatami, der Judo-Matte, schon einen ausgezeichneten Ruf. „Sie ist geistig ungemein beweglich, hat hervorragende Athletikwerte sowie eine Explosivität und Schnelligkeit, die viele Gegner in Angst und Schrecken versetzen“, weiß Axel Kirchner, ihr Trainer beim Universitäts-Judo- und Kampfsport-Club (UJKC) und darüber hinaus ihr Lebenspartner. „Das betrifft nicht nur die Frauen. Wenn ich sie bei uns im Verein gegen Männer kämpfen lasse, wirft sie die ebenso von rechts nach links “ Ihre Gegnerinnen von der Tatami fegen will Yvonne Bönisch auch am 16. August. Dann steht bei den Olympischen Spielen in Athen die Entscheidung im 57-Kilo-Limit, ihrer Gewichtsklasse, an. Und dann will die Judo-Amazone, die seit ihrem siebenten Lebensjahr den weißen Kampfkittel überstreift und als Zwölfjährige aus Ludwigsfelde an die Potsdamer Sportschule und damit zum UJKC kam, auch aufs Medaillentreppchen – am liebsten natürlich auf das oberste. „Als Vizeweltmeisterin kann man den Anspruch an sich haben, in Athen eine Medaille zu gewinnen. Ich fahre nicht hin, um nur teilzunehmen. Dann könnte ich mir den ganzen Aufwand jetzt sparen“, gesteht Bönisch, die noch bis heute den Trainingsschweiß unter besonderen Bedingungen fließen lässt. In einer Höhenkammer in Hohenschönhausen schindert sie mehrmals täglich unter simulierten 2500 Metern Höhe. „Anders als in Kienbaum, wo ein Unterdruck erzeugt wird, wird hier der Luft nur Sauerstoff entzogen und ein ähnlicher Effekt erzielt wie in 3000 Metern Höhe“, erzählt sie. Und: „Mein Leistungsvermögen ist derzeit besser, als ich vorher dachte.“ Morgen fliegt sie mit dem UJKC zum Europacup nach Levallois (siehe Kasten unten), „obwohl der Termin eigentlich nicht in meinen Formaufbau für Athen passt. Aber ich mache das für meinen Verein.“ Eine Woche drauf folgen ein Turnier auf Sizilien und Mitte Juli noch die Internationalen Deutschen Meisterschaften in Braunschweig, ehe sich die Potsdamerin in Trainingslagern u. a. in Frankreich und Spanien den letzten Schliff fürs Olympia-Turnier holen will. Schon als sie 2000 vor dem Fernseher die olympischen Wettkämpfe auf der Tatami in Sydney verfolgte, dachte Yvonne Bönisch an Athen 2004. „Auch vor Sydney habe ich ums Olympia-Ticket gekämpft. Damals hat es noch nicht geklappt, aber Olympia war schon immer mein Ziel.“ Obwohl dem Weißkittel lange alle möglichen Steine in den Weg gelegt wurden, denn das Erfolgskonzept des UJKC war und ist manchem Judo-Verantwortlichen in Land und Bund ein Dorn im Auge. „Es gab Jahre, da hat der Verband versucht, ihre Leistungsfähigkeit in Grenzen zu halten“, blickt Axel Kirchner zurück. „Sie bekam als Juniorin keine Einsatzchancen bei Europa- und Weltmeisterschaften oder anderen internationalen Turnieren, und als sie von der 63- in die 57-Kilo-Klasse ging, wurden wir ausgelacht. Dadurch, dass sie damals aber nicht aufgab, ist Yvonne unheimlich gereift. Sowohl als Mensch als auch als Sportlerin.“ Ihr Lohn: Seit 2001 gilt Bönisch als die deutsche Nummer 1 in ihrem Limit, und spätestens seit 2002 kommt der Deutsche Judo-Bund auch international nicht mehr an der Potsdamerin vorbei. Damals wurde sie Vizeeuropameisterin, und Skeptiker, die an ein Versehen glaubten, belehrte sie im Folgejahr mit Silber bei den Weltmeisterschaften in Osaka eines Besseren. Nur der Nordkoreanerin Sun Hui Kye musste sie sich damals durch eine Ellenbogenverletzung im Finale geschlagen geben. Eine danach notwendige Operation verkraftete sie inzwischen bestens. „Nach meiner Verletzung kamen Spekulationen auf, ob ich es wohl noch einmal schaffen würde“, erinnert sie sich. „Aber ich habe es allen Zweiflern gezeigt.“ Beim Turnier Mitte März in Warschau schlug sie die komplette europäische Spitze, und auch kurz darauf in Tallin „habe ich mit meinem zweiten Platz den erforderlichen internationalen Leistungsnachweis gebracht.“ Inzwischen schlug der DJB sie beim Nationalen Olympischen Komitee ganz offiziell für Athen vor. „Dort hat sie ganz gute Chancen, wenn sie ihr Leistungsvermögen hundertprozentig ausschöpft und Yvonne Bönisch bleibt – also weiß, was sie kann und wer sie inzwischen ist“, glaubt Axel Kirchner. Der bei den WM in Osaka mit Genugtuung beobachte, dass sich selbst Judo-Ikonen wie Yasuhiro Yamashita, in den 80er Jahren Olympiasieger und mehrfacher Weltmeister der Superschweren, vor seinem Schützling verbeugten. Das tun Japaner selten vor Europäern, noch viel seltener vor einer Frau. Doch mit ihren Leistungen hat sich Yvonne Bönisch sogar deren Respekt erarbeitet.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: