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Aus dem GERICHTSSAAL: Richterin: „Sie hätten die Notrufnummer 110 wählen können!“

Entlastungszeugin erst im Prozess aus dem Hut gezaubert / Verfahren gegen 400 Euro Geldbuße eingestellt

Stand:

Es ist eine wilde Geschichte, die Bodo B. (51, Name geändert ) vor Gericht erzählt, um sein Verhalten zu entschuldigen. Am 27. Oktober vorigen Jahres, kurz vor Mitternacht, sei er in der Straße Am Teufelssee von drei grölenden und gestikulierenden Jugendlichen an der Weiterfahrt gehindert worden. Einer der Störenfriede habe eine Bierflasche über den Kotflügel seines Autos gedroschen. Total erschrocken – so der Wachschutzmitarbeiter – habe er Gas gegeben, dabei einen Randalierer am Knie gestreift. Die zwei anderen seien ihm hinterher gerannt. Aus Angst habe er sein Gefährt in den nahen Wald gelenkt, dort erleichtert festgestellt, dass er die Verfolger abschütteln konnte. „In diesem Moment rief meine Lebensgefährtin an. Sie hatte den Vorfall beobachtet und fragte, warum ich an der Haustür vorbeigefahren bin.“ Amtsrichterin Kerstin Devriel wundert sich. „Wo kommt die Freundin denn plötzlich her? In meinen Akten ist sie bisher nicht aufgetaucht.“ Auch die Staatsanwältin, deren Behörde das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung betont, staunt über die aus dem Hut gezauberte Zeugin. „Sie hatten während des Ermittlungsverfahrens ausreichend Zeit, Personen zu benennen, die Sie entlasten können“, rügt sie den Angeklagten. Der sitzt in der Klemme, zumal sein Anwalt betont, die Frau könne heute leider nicht aussagen, da sie beruflich unabkömmlich sei. Die Story habe noch eine Fortsetzung, berichtet Bodo B. nun. Am nächsten Tag habe ihn das rebellische Trio abgefangen und gewarnt, irgend jemandem etwas von den Ereignissen der vergangenen Nacht zu erzählen. Außerdem habe er einen mächtigen Kratzer im Lack seines Gefährts entdeckt. „Warum haben Sie keine Anzeige erstattet?“, fragt die Vorsitzende. „Im übrigen waren Sie in der Nacht verpflichtet, sich zu vergewissern, ob dem jungen Mann, den sie angefahren haben, etwas passiert ist – auch wenn dessen Verhalten nicht in Ordnung war.“ Laut Anklage erlitt der Jugendliche eine schmerzhafte Prellung. Zudem sollen er und seine Freunde von Bodo B. aufgefordert worden sein, „sich von der Straße zu verpissen“. Der Wachmann bestreitet derart rüde Worte. Sein Verteidiger spielt auf den „sozialen Brennpunkt Waldstadt“ an, bietet dem Angeklagten das Stichwort. „Wenn dort nur einer gestanden hätte, wäre ich ausgestiegen. Aber so war mir die Situation zu brenzlig. Ich hatte keine Lust, vielleicht ein Messer in den Rücken zu kriegen.“ Der Trumpf sticht bei der Richterin nicht. „Sie hatten ein Handy dabei. Sie hätten die 110 wählen können, wenn Sie sich wirklich bedroht fühlten.“ Dann stellt sie das Verfahren gegen den bisher nicht Vorbestraften gegen 400 Euro Geldbuße an die Verkehrswacht ein. Hoga

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