Landeshauptstadt: Riesige Heiligengeistkirche
Romantiker auf dem Thron wollte sie umbauen und mit bis zu sieben Türmen ausstatten lassen
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An der Stelle der Heiligengeistkirche, die auf dem Platz der slawischen Siedlung Poztupimi als Ursprung Potsdams stand, könnte sich heute ein mit mehreren hoch aufragenden Türmen ausgestatteter riesiger Kirchenbau erheben – wenn es nach König Friedrich Wilhelm IV. gegangen wäre. Der „Romantiker auf dem Thron“ wollte in „manischer Besessenheit das Stadt- und Landschaftsbild mit einer Vielzahl von Kirchen bereichern“ und machte dabei auch vor den drei Potsdamer Hauptkirchen nicht halt. Für St. Nikolai setzte er seine Vorstellungen durch, die Umbau- und Erweiterungspläne für die Garnison- und die Heiligengeistkirche blieben Luftschlösser.
Schon seit 1834 hatte Friedrich Wilhelm, damals noch Kronprinz, immer wieder das ihm vorschwebende zukünftige Gesicht der Heiligengeistkirche in Ideenskizzen zu Papier gebracht. Den 1728 nach einem Entwurf des Architekten J. F. Grael errichteten, 86 Meter hohen Turm, der als ein Meisterwerk barocker Sakralbaukunst galt, wollte er abreißen lassen. Angeblich war er baufällig, was aber nicht stimmte, denn der Glockenturm war erst 1830 letztmals repariert worden. Turmlos wollte der Kronprinz das Bauwerk aber keineswegs lassen. Im Gegenteil, zur Stadtseite hin sollten zwei in „florentischen Stil“ aufragen, und an der Ostseite nochmals zwei, die dem Campanile von San Marco in Venedig nachempfunden waren. Spätere Ideenskizzen zeigen sogar bis zu sieben Haupt- und Nebentürme. Das Kirchenschiff sollte im Stil einer frühchristlichen Basilika erweitert werden und als Anbauten ein Querhaus und Wandelhallen erhalten. Auch eine Kuppel ist auf mehreren Zeichnungen vorgesehen.
Bauten, die sich im Wasser spiegeln, waren eine Lieblingsvorstellung des Kronprinzen. Deshalb sollte der Kirchenbau bis zum Ufer der Alten Fahrt ausgedehnt werden. Dort war eine Apsis vorgesehen, deren halbrundes Fundament in die Wasserfläche hineinragte. Mit einer üblichen, meist eher bescheidenen halbrunden Altarnische hatte dieser Entwurf nichts gemein. Vielmehr wäre der Betrachter von einem dreietagigen Bauwerk mit im Erdgeschoss umlaufenden Arkaden beeindruckt oder besser gesagt „erschlagen“ worden.
Je ausufernder die architektonischen Ideen des Königs ausfielen, desto geringer wurde die Chance ihrer Verwirklichung. Dies bestätigte sich auch bei der Heiligengeistkirche. Nach einer Bestandsaufnahme legte Hofarchitekt Ludwig Persius 1835 einen ersten Umbauentwurf mit vier Türmen und der gewaltigen Apsis vor, den Friedrich Wilhelm als Kronprinz schon aus finanziellen Gründen ohnehin nicht verwirklichen konnte.
Dennoch hielt er hartnäckig an der Idee fest und kam nach seiner Thronbesteigung darauf zurück. 1841 entwickelte der König neue Gedanken. Nun war nur noch ein Hauptturm vorgesehen, der sich an der Giralda, dem Glockenturm der Kathedrale von Sevilla, orientierte. Das alte Kirchenschiff sollte als Mittelteil des Sakralbaus erhalten bleiben. Erneut wurde Persius mit den Entwürfen beauftragt und sah sich in der schwierigen Situation, die hochfliegenden Träume des Monarchen auf ein realisierbares Maß zurückzuführen. Doch das misslang in diesem Fall. Den König befriedigten die von seinem Stararchitekten zwischen 1841 und 1844 vorgelegten Zeichnungen nicht. Immer wieder äußerte er Änderungswünsche, die er eigenhändig skizzierte. Selbst 1856, Persius lag schon elf Jahre unter der Erde und Friedrich Wilhelm IV. war schwer krank, musste Friedrich August Stüler nochmals einen Umbauentwurf für die Heiligengeistkirche vorlegen. Erst dann verschwand das Vorhaben in der Mappe „Luftschlösser“.
Die 1726 geweihte schöne alte Barockkirche und ihr zwei Jahre später fertiggestellter Turm blieben Potsdam also erhalten und damit auch der die Stadtsilhouette prägende „Dreikirchenblick“. Allerdings nur bis Kriegsende, denn beim englischen Bombenangriff vom 14. April 1945 wurde die Kirche, am 26. April 1945 durch sowjetische Artillerie der Turm schwer getroffen. Im Sommer 1960 wurde die Ruine des Kirchenschiffs abgerissen, am 26. April 1974 der Turmstumpf gesprengt. Heute steht hier ein als Seniorenheim genutztes Funktionsgebäude mit einem technizistischen, im Volksmund „Raketenabschussbasis“ genannten Turmaufsatz.
Wer einen bisher nicht verwirklichten Architektur-Entwurf für die PNN-Serie „Luftschlösser“ vorschlagen möchte, meldet sich unter Tel.: (0331) 2376 134, Fax: (0331) 23 76 300 oder per E-mail an lokales.pnn@pnn.de.
Erhart Hohenstein
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