Landeshauptstadt: Ritterspiele nur für Jungs
Projektleiter kritisieren: Für Jungen zwischen neun und 13 Jahren gibt es zu wenige Angebote
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Auf eine abenteuerliche Phantasiereise ins ferne Land Drakon begibt sich momentan das Gemeinschaftsprojekt „Ritter- Recken-Raue Zeiten“ der evangelischen Kinder- und Jugendstelle des Kirchenkreises Potsdam und des Projekts „Kirche im Kiez“. Bisher fünf Jungen versetzen sich dabei immer montags im Kinderclub „Unser Haus“ im Familienzentrum am Schlaatz zurück ins dunkle Mittelalter. In der letzten Woche wurden sie unter großen Ehren von Bruder Matthias, alias Projektleiter Diakon Mathias Stempfle, zum Ritter geschlagen. Dafür musste jedoch zuerst des Ritters wichtigstes Utensil – ein scharfes Schwert – aus Besenstielen, Heizungsisolierung und Klebeband gefertigt und der Tournierplatz bereitet werden. Erst dann konnten die jungen Helden sich im fairen Kampf Mann gegen Mann erproben und ihre Tapferkeit beweisen. Neu gewandet und mit wohlklingenden Namen wie Peter von Rabensburg oder Robert von Drachenburg versehen, machen sich die mutigen Recken nun auf, in den nächsten Wochen ihr gefahrvolles Abenteuer zu bestreiten. Das Sägen, Schrauben und Duellieren im Projekt komme dabei dem enormen Bewegungsdrang der jungen Ritter entgegen, die sich gern nach stundenlangem Stillesitzen in der Schule abreagierten, so Stempfle. Aber auch Fairness und Respekt vor dem Verlierer spielten im Ritterdasein eine wichtige Rolle. Gemeinsam mit dem Sozialpädagogen Uwe Rühling, Mitarbeiter der Abteilung Jungenarbeit der evangelischen Kinder- und Jugendstelle, hat der Diakon die Drakonreise ins Leben gerufen, die sich besonders an Jungen zwischen neun und 13 Jahren richte. Während Mädchen oft im Zentrum zu finden seien, fielen gerade Jungen dieser Altersgruppe häufig durch das Netz der kirchlichen und sozialen Angebote, kritisieren beide. „Für Kinderspiele fühlen sich unsere Jungs schon zu alt und für Jugendclubs sind sie einfach noch zu klein“, erklärt der Stempfle den Anstoß für seine Idee mit den Ritterspielen. Er hofft mit dem Thema speziell diese Jungen ins Familienzentrum locken zu können. Und das scheint ihm und seinem Kollegen mit zunehmendem Erfolg zu gelingen. „Letzte Woche war nur ein einziger Junge da. Heute sind es immerhin schon fünf. Das ist Mundpropaganda und was anderes funktioniert hier im Schlaatz nun mal nicht“ erklärt Rühling mit wissendem Lächeln. Noch vor wenigen Wochen habe er versucht als Ritter verkleidet im Viertel für das Projekt zu werben, aber die Jungen kamen einfach nicht. So sind etwa der 13-jährige Robert und der zwölfjährige Peter erst seit letzter Woche dabei. Sie sind von einem Freund angesprochen worden und nun von ihrem neuen Ritterdasein ganz begeistert. Robert, der eigentlich an diesem Nachmittag schon eine andere Verabredung hatte, sogar so sehr, dass er diese kurzerhand platzen ließ. Er überlegt in Zukunft noch weitere Freunde mitzubringen. Und auch Peter kommt vielleicht mit seinem Bruder wieder. Das bestätigt und ermutigt Rühling und Stempfle in ihrem Engagement Potsdams Jungen zu erreichen. Noch bis Ostern laufe das Ritterprojekt immer montags ab 15 Uhr und über eine eventuelle Fortsetzung sei bereits gesprochen worden, so Rühling. Das Ganze habe schließlich auch für die Betreuer einen ganz besonderen Reiz, gibt auch Stempfle zu. Man könne sich dabei einfach selbst noch einmal auf das ganz große Abenteuer einlassen. Und beider Begeisterung steckt die Jungen an – bis hin zu ihrem abschließenden schaurig schönen Rittergesang. Anja Garbe
Anja Garbe
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