ZUR PERSON: „Romanistik ist Lebensstil“
Romanistik-Professor Ottmar Ette will sein Fach „mit Biss“ lehren – offenbar gelingt es ihm: Im deutschen Hochschul-Ranking landete sein Institut auf Platz 3 – hinter der FU Berlin und der Uni Bonn
Stand:
Herr Professor Otte, das romanistische Institut der Uni Potsdam hat beim aktuellen Hochschul-Ranking vom Centrum für Hochschulentwicklung „CHE“ und der „Zeit“ bundesweit den dritten Platz belegt. Trotzdem wissen manche nicht, was ein Romanist ist. Es hat Sie einmal jemand angerufen, der glaubte, Sie seien ein Komponist. Wie haben Sie ihm erklärt, was Sie wirklich tun?
Ein Romanist beschäftigt sich mit unterschiedlichen Sprachen.
Mit Französisch, Spanisch, Italienisch, Portugiesisch und Rumänisch.
Ja, Romanistik ist ein weltweites Fach. Und als weltweites Fach gibt es darin natürlich auch ein kompositorisches Element. Dies insoweit, als die Romanistik versucht, Sprachen, Literaturen und Kulturen in ihrem Zusammenwirken darzustellen. Dabei geht es auch darum, wie sie Muster bilden und wie sie Fragen der Globalisierung, der transkulturellen Beziehungen und des Zusammenlebens darstellen. Das sind jedenfalls Fragen, die für mich ganz wichtig sind. Es ist das spannendste Fach innerhalb der Philologien.
Und was macht das Institut für Romanistik an der Uni Potsdam?
Das Profil des Instituts lebt davon, dass wir diese Sicht ernst nehmen. Wir versuchen im literarischen Bereich jenseits der Nationalliteraturen zu forschen: Wir wollen wissen, wie die Bezüge zwischen den Ländern sind. Hier ist also die Komposition auch enthalten. Man komponiert sozusagen diese Dinge bewusst als Konstruktion zwischen den unterschiedlichen Literaturen.
Können Sie die Tradition des Faches kurz umreißen?
Romanistik ist eine Erfindung des 19. Jahrhunderts, im Grunde eine deutsche Erfindung. Das Fach beschäftigte sich zunächst mit der Edition von Texten. Dann hatte das Fach seinen Schwerpunkt in den europäischen Nationalliteraturen, aber rein geschichtlich. Erst in den 1920er Jahren hat man sich sehr nah an die Gegenwart herangetastet. Und noch später, nach dem Zweiten Weltkrieg , haben sich die Romanisten auf außereuropäische Fragestellungen eingelassen. Heute sucht die Romanistik eher die Verbindung zwischen europäischen und außereuropäischen Literaturen. Das ist die Stärke des Fachs.
Und was ist die Stärke der Potsdamer Romanistik?
Zum einen haben wir den eben beschriebenen Schwerpunkt. Der zweite Punkt ist, dass wir am Institut einen Konsens über Zusammenarbeit haben. Das ist ein Erfolgsmodell. Wir haben mehr Tagungen als andere Institute. Gerade bei den Doktoranden haben wir einen hohen Anteil an ausländischen Studierenden. Das steigert auch für ihre deutschen Kommilitonen die Attraktivität des Studiums.
Sie sind seit 1995 in Potsdam. Wie haben sie die Entwicklung des Instituts erlebt?
Ich habe den spanischsprachigen Bereich des Instituts mit aufgebaut. Wir hatten damals 17 Studierende. Heute haben wir über 800 Hispanisten, also eine völlig andere Situation. Das hat gut geklappt! Es war ein langfristiger Prozess und ich habe ihn immer so gesehen. Ich habe nie daran gedacht, wegzugehen. Es geht mir auch um die Chance, den Berlin-Brandenburger Raum zu nutzen. Das ist ein Markenzeichen für Potsdam geworden.
Der Aufbau des Instituts hat die Menschen zusammengeschweißt?
Ja. Wir haben einen sehr aktiven wissenschaftlichen Mittelbau, der viel zum Profil beiträgt und der in der Lehre sehr engagiert ist. In der Forschung sowieso. Und wir haben, das möchte ich betonen, immer sehr gute Studierende. So lange ich zurückdenken kann. Sie tragen ganz wesentlich zum Erfolg bei – besonders die ausländischen Studenten. Davon leben wir. Und davon werden wir in Zukunft leben.
Das CHE-Ranking hat die gute Studiensituation in Potsdam betont. Hat die Romanistik eine besondere Atmosphäre? Ist sie sogar ein Lebensstil?
Das war sie für mich immer. Das Studium ist mit einer bestimmten Weltsicht verbunden. Ganz klar. Die Kulturvermittlung ist nicht nur ein leeres Behältnis, sondern die gelebte Dimension von Wissenschaft. Diese gelebte Wissenschaft ist zentral. Das muss rüberkommen. Romanistik braucht Überzeugung, aber das Fach schafft auch Überzeugungen.
Was lernt man in der romanischen Literaturwissenschaft?
Literatur ist aus meiner Sicht ein interaktiver Speicher von Lebenswissen. Das heißt, man lernt eine ganze Menge über Lebensformen und Lebenswissen in diesen Literaturen. Neben dem literaturwissenschaftlichen Handwerkszeug lernt man auch viel über Formen des Zusammenlebens in einer globalisierten Gesellschaft. Ich bekomme also, wenn ich romanische Literaturen der Welt studiere, einen Überblick über unterschiedlichste Kulturen und kulturelle Ausdrucksformen. Das gibt es in keinem anderen Fach in einer solchen Breite.
In ihrem Büro stehen viele Krokodil-Figuren. Was bedeutet das?
Dieses Spielzeug-Krokodil nutze ich in den Sprechstunden. Es erleichtert die Kommunikation, besonders bei Studentinnen mit Kind. Und Krokodile sind sehr kluge Tiere. Sie bewegen sich zwischen Wasser und Land. Sie halten sich in einem Übergangsbereich auf. Die Insel Kuba hat die Form eines Krokodils. Natürlich können Krokodile auch schnell zuschnappen!
Sie plädieren also für eine Romanistik mit Biss?
Ja. Eindeutig!
Das Gespräch führte Mark Minnes
Ottmar Ette lehrt seit 1995 an der Universität Potsdam Romanische Literaturwissenschaft. Als Gastdozent hielt er sich aber auch mehrfach in Mexiko sowie im us-amerikanischen Maine und auf Costa Rica auf. Für seine Veröffentlichung von Alexander von Humboldts: „Reise in die Äquinoktial-Gegenden“ erhielt er 1991 den Heinz-Maier-Leibnitz-Preis – eine von vielen Auszeichnungen des Romanisten mit der Vorliebe für Humboldt und lateinamerikanische Literatur und Literaturtheorie. Geboren wurde Ottmar Ette 1956 im Schwarzwald. Er studierte in Freiburg und Madrid. In seinen Büchern „ÜberLebenswissen“ und „ZwischenWeltenSchreiben“, die 2004 und 2005 im Kulturverlag erschienen sind, fragt er nach der Rolle der Literaturwissenschaft im 21. Jahrhundert. MaMi
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: