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Landeshauptstadt: Rothaarige Steinewerferin

Gerichtliches Nachspiel eines Fußballmatchs/2250 Euro Strafe

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Gerichtliches Nachspiel eines Fußballmatchs/2250 Euro Strafe Von Gabriele Hohenstein Drei Tage lang versuchten Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung, der Wahrheit auf die Spur zu kommen. Zum Schluss drängte der Rechtsbeistand der Angeklagten gar auf eine DNA-Analyse seiner Mandantin, die deren Unschuld untermauern sollte. Die Vorsitzende Richterin Judith Janik schmetterte den Antrag ab. Für sie war eine einzige Zeugenaussage ausschlaggebend, Regine B. (25) zu verurteilen. Nach einem Fußballpokalspiel zwischen Babelsberg 03 und Hertha BSC war es am frühen Abend des 25. August 2001 zu Ausschreitungen zwischen den Bewohnern des „bunten Hauses“ in der Rudolf-Breitscheid-Straße 6 und rechten Hertha-Fans gekommen. Aus den Fenstern des Gebäudes flogen Flaschen und Steine auf die unten Vorbeiziehenden. Die ließen sich nicht lumpen und schmissen zurück. Angefangen hätten die Autonomen, unter ihnen eine rothaarige Frau – da waren sich verschiedene als Zeugen gehörte Besucher des Fußballspiels sicher. Regine B. auf der Anklagebank hat schwarze Haare. Ob sie jemals leuchtend rot prangten, verriet die Potsdamerin während des Prozesses nicht. Auch schwieg sie zum Vorwurf der versuchten gefährlichen Körperverletzung, was ihr gutes Recht ist. Raimund S. (41) war sich gestern 100-prozentig sicher, in ihr eine der Steinewerferinnen wiederzuerkennen. „Sie fiel mir wegen ihrer extrem rot gefärbten Haare schon auf dem Weg zum Stadion auf“, so der Berliner Polizeibeamte. „Da richtete sie eine Videokamera auf die Hertha-Fans.“ Auf der Rücktour habe er die nunmehr Vermummte an einem Fenster erneut beim Filmen gesehen. „Ihre Haare lugten an beiden Seiten des Helms hervor.“ Danach habe sie mindestens ein Wurfgeschoss aus dem 1. Stock des Hauses in die Menge geschmettert, so der Zeuge. „Schauen Sie sich die Angeklagte genau an“, forderte der Staatsanwalt. „Bleiben Sie bei Ihrer Aussage?“ Der Polizist nickte. Es habe zwar ununterbrochen geknallt und gescheppert, deshalb sei er auf der anderen Straßenseite in Deckung gegangen, musste danach noch zwei bis drei besonders radikale Hertha-Anhänger verhaften. „Ich habe das Gesicht der Angeklagten aber später aus der Nähe gesehen. Da ist sie mit anderen Bewohnern aus dem Haus gekommen und hat die Scherben auf dem Gehweg zusammengefegt,“ erinnert er sich. „Der Zeuge hat sich auf meine Mandantin eingeschossen“, vermutete Rechtsanwalt Steffen Sauer. „Er reduziert ihr vermeintliches Wiedererkennen einzig und allein auf eine Person mit unnatürlich rot gefärbten Haaren. Wer will beweisen, dass es zu jener Zeit nicht mehrere Hausbewohner mit dieser Haarfarbe gab?“ Seine Aussage reiche bei weitem nicht, Regine B. zu überführen. Sie sei daher freizusprechen. Der Staatsanwalt sieht das anders. Die Angeklagte sei von einem Zeugen zweifelsfrei wiedererkannt worden und deshalb der gefährlichen Körperverletzung schuldig. Er beantragte eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 60 Euro. Das fand die Richterin dann doch zu happig. Sie legte die Tagessatzhöhe auf 25 Euro fest.

Gabriele Hohenstein

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