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Von Beatrice George: Rotkäppchen aus Pappe
Christina Siegfried belebt mit ihrem Paperback-Papiertheater Unterhaltungskunst aus dem 19. Jahrhundert
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Die Potsdamerin Christina Siegfried besitzt ein Theater. Es wiegt ein paar Kilogramm und lässt sich in einem Reisekoffer verstauen. Die Bretter, die die Welt bedeuten, sind bei ihr aus Pappe, ebenso der Vorhang, die Kulissen und sogar die Darsteller. Mit ihrem Paperback-Papiertheater hat die promovierte Musikwissenschaftlerin vor anderthalb Jahren ihr Hobby zum Beruf gemacht und dafür nach knapp 17 Jahren das Organisationsteam der „Musikfestspiele Potsdam“ verlassen.
Dabei hatte sie bei dem seit 1991 in den Potsdamer Schlössern stattfindenden Konzert- und Opernfestival erstmals eine Papierbühne gesehen. Ein Gastspiel des Berliner Papiertheaters Invisius von Dorett und Rüdiger Koch faszinierte sie. „Das will ich auch“, dachte sich Christina Siegfried. 2001 fing sie an, ihr erstes Theater selbst zu bauen und ihren Freundeskreis zu Weihnachten mit „Hänsel und Gretel“-Aufführungen zu erfreuen. Das Stück gehört heute immer noch zu ihrem Repertoire, so wie das Märchen „Der gestiefelte Kater“ und seit Anfang 2009 auch „Aladin und die Wunderlampe“ sowie „Rotkäppchen und der Wolf“.
Zur Hoch-Zeit des Papiertheaters im Europa des 19. Jahrhunderts standen noch ganz andere Sujets auf dem Programm. „Das Papiertheater war in den gutbürgerlichen Familien, was der Fernseher bei uns heute ist“, sagt Christina Siegfried: Eine Art Home-Entertainment aus Papier. Eltern und Kinder spielten damit Shakespeare-Dramen und Wagner-Opern nach. Zu den großen Opern- und Theatererfolgen der damaligen Zeit brachten die Verlage bedruckte Bögen mit Figuren, Kulissen und Bühnen-Hintergründen zum Ausschneiden und zum Teil zum Ausmalen heraus – komplettiert mit Noten der schönsten Arien zum Nachspielen auf dem heimischen Klavier.
Die heutige Papiertheater-Szene führt ein Nischen-Dasein. Etwa 20 Gruppen gebe es in Deutschland – eine Handvoll davon in der Region Berlin-Brandenburg, schätzt Rüdiger Koch, dessen Invisius- Theater bereits das 25. Jubiläum feierte. Die Spielweisen der Papiertheater, bei denen die Figuren auf Drahthalter gesteckt und dann zwischen den Kulissen bewegt werden, seien dabei „äußerst vielfältig“. Die einen sprechen und musizieren live, andere nutzen Tonaufzeichnungen. Es gibt Figuren in realistischer Gestaltung oder im Comic-Design.
„Das Papiertheater ist ein grandioses Medium für ein Theater-Ersterlebnis“, schwärmt Christina Siegfried. Ihre etwa 30 Minuten langen Stücke eignen sich gut für Kinder ab vier Jahren. Bei ihren Workshops hätten sich jedoch auch Schüler schon erstmals fürs Theater begeistert. Mit einem Zweitagesangebot bereist Christina Siegfried Schulen und bietet Klassen an, ein Theaterstück zu entwickeln und das Theater dafür selbst zu bauen. Zum Abschluss gibt es eine Aufführung des Stücks.
Die nächsten Aufführungen des Paperback-Papiertheaters mit „Aladin und die Wunderlampe“ sind am 29. März um 11 und 15.30 Uhr im Potsdamer Kulturhaus Babelsberg zu erleben.
Beatrice George
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