Landeshauptstadt: Rückkehr der Aschenbecher
100 Tage Rauchverbot in Potsdams Gastronomie: Kneipiers wehren sich, wenige Beschwerden
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Klaus Kühn will jede Chance nutzen. Der Chef der „Waschbar“ in Potsdam-West lässt gerade von seinem Anwalt prüfen, ob es im Brandenburger Nichtraucherschutzgesetz noch Lücken gibt, die er nutzen kann. Klappt das nicht, will er gegen das Rauchverbot klagen. Denn das Gesetz sei klare Wettbewerbsverzerrung. „Ich kann keinen abgeteilten Raucherraum einrichten und bin so anderen Kneipen gegenüber im Nachteil“, begründet er seine Wut. So stehen nun einige Nichtrauchertische in der Bar, der Rest ist wie zuvor. Würde er sich bereits an das Gesetz halten, so fürchtet er Umsatzeinbußen „von bis zu 20 Prozent“. Mit seinem Beispiel ist er nicht allein: Nach hundert Tagen Gültigkeit halten sich immer mehr Potsdamer Gastronomen – besonders in kleineren Bierkneipen – nicht mehr an das strittige Verbot.
Auch Jens Schröder vom Babelsberger „Unicat“ macht mobil: Er hat mehr als 2500 Unterschriften gesammelt und will die Liste dem Landtag übergeben. „99 Prozent meiner Gäste sind gegen das Verbot.“ Das Gesetz sei ruinös. Für den 14. April haben betroffene Gastronomen deswegen mehrere Lokalpolitiker in die „Weisenhaus“-Kneipe eingeladen. „Zum Dampf ablassen“, sagt Schröder.
Auch das Studentische Kulturzentrum (KuZe) hat schlechte Erfahrungen gemacht, nun stehen wieder Aschenbecher in der Kneipe. Schon kurz nach Beginn des Rauchverbots hatten die studentischen Betreiber darüber geklagt, dass sie für die Arbeit hinterm Tresen keine ehrenamtlichen Mitarbeiter finden würden, wenn keiner rauchen darf. Die Situation verschärfte sich im Februar. „Weil niemand mehr arbeiten wollte, mussten wir oft schließen und hatten hohe Verluste“, sagt Tamas Blenessy, Sprecher des Asta-Gremiums der Uni Potsdam, das den KuZe betreibt. Deswegen werde nun bis Ende Juni wieder „geraucht“, danach soll eine Zwischenwand zumindest in der zweiten KuZe-Etage das Qualmen ermöglichen. „Das Verbot gefällt hier niemand“, so Blenessy. Auch in anderen Innenstadt-Häusern der studentisch-linksalternativen Szene – etwa im „Spartacus“ oder im „Archiv“ – wird der gesetzliche Nichtraucherschutz nicht beachtet. Bislang sprechen aber Ordnungsämter maximal Verwarnungen aus, Geldbußen müssen erst ab dem 1. Juli gefürchtet werden. Dann drohen bis zu 100 Euro für den rauchenden Gast und 1000 Euro für Wirte.
Nicht nur die alternative Jugendszene wehrt sich gegen das Verbot von Zigarettenqualm. Im Holländischen Viertel sind die meisten Kneipen inzwischen wieder Plätze, in denen Raucher willkommen sind. So lässt sich in „Hillmanns Bierlokal“ die Bundesliga-Übertragung wieder mit Kippe sehen – und auch in der „Hohlen Birne“ können die Gäste weiter rauchen. „Bei meinen Stammgästen gehört die Zigarette zum Lebensstil“, sagt der selber nicht rauchende Inhaber Ralf Hildebrandt. Mit dem 1. Juli und den möglichen Strafgeldern soll zumindest der Pavillon im Hof weiter als abgetrennter Nebenraum genutzt werden können.
Doch werden solche Lösungen den Anforderungen von Brandenburgs Gesundheitsministerin Dagmar Ziegler (SPD) gerecht? Laut Gesetzestext müssen Räume für Nikotingenuss „rauchundurchlässig“ abgetrennt und in ihrer Größe nur als Nebenraum erkennbar sein. Der Pavillon in der „Hohlen Birne“ ist durch eine Tür getrennt, die auf- und zuschwingt, wenn die Bedienung zu den Gästen kommt. Das „Loft“ in der Brandenburger Straße bietet dagegen einen Raucherbereich, der sogar größer als die Fläche für Nichtraucher ist. Ähnlich zwiespältig sieht die Lösung im „Lindenpark“ aus, wo die Bar neben dem Hauptsaal als Raucherbereich ausgewiesen ist – Umbauarbeiten für eine gesetzeskonforme Lösung sollen laut Lindenpark-Chef Dirk Harder aber noch folgen. Eine andere Lösung hat sich das „On The Rocks“ ausgedacht: Die Rock-Kneipe in der Lindenstraße hat einen extra Nebenraum eingerichtet, dessen Tür ständig offen steht. Zugleich ist Inhaber Jens Lewerenz „sauer“ auf die Kneipen, die sich gar nicht an das Rauchverbot halten – diese hätten keine Stammkunden verloren.
Und noch scheinen sich viele Potsdamer nicht weiter daran zu stören, dass in vielen Kneipen noch Qualmwolken in der Luft hängen. 27 Beschwerden von Bürgern aus 18 Lokalen hat das Ordnungsamt laut Stadtsprecherin Rita Haack entgegen genommen. Zwei Gaststätten seien jeweils schon fünfmal ermahnt worden. „ Es gibt Gastwirte, die wieder rauchen lassen, weil ihnen die Kunden weg gelaufen sind – und auch in kleinen Eckkneipen wird weiter geraucht“, sagt Haack. Dagegen hätte sich das Verbot insbesondere in Speisen-Restaurants durchgesetzt.
Und auch nicht jeder Wirt motzt. Beispiel: Das „Gleis 6“ am S-Bahnhof Babelsberg. Dort gab es schon vor dem Verbot einen Extra-Raum, der nun noch eine Abzugsanlage besitzt. „Die Raucher sind geblieben; wir haben aber auch Nichtraucher dazugewonnen“, sagt Gleis-Chef Roy Kayser. Der Raucherbereich sei dabei besonders „kommunikativ“. Auch in anderen früher verräucherten Innenstadt-Etablissements wie dem „Pub á la Pub“ oder dem „Hafthorn“ hat das Verbot sichtlich nur wenige Gäste verscheucht. Auch das Waschhaus berichtet über gute Erfahrungen: Während innen die Disko tobt, stehen vor der Tür die Raucher.
Dagegen hängt im „Nowawes“wie früher noch die Raucherglocke. Lutz Boede als Geschäftsführer der Fraktion Die Andere betreibt die kleine Babelsberger Kneipe – und sieht das Verbot gelassen. Er verweist auf die Rathausspitze: „Wir orientieren uns da an Oberbürgermeister Jann Jakobs, der trotz Rauchverbot weiter in seinem Büro rauchtA. Garbe, B. Steels, C. Höck, H. Kramer
A. Garbe, B. Steels, C. Höck, H. Kramer
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